Manipulationstechniken. So wehren Sie sich. (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
misericordiam genannt. Wie der Appell funktioniert, sehen wir im nächsten Fall:
Beispiel
Lydia hat Schwierigkeiten mit Frau Müller. Sie geht zu ihrer Vorgesetzten, Karin, um diese zu bitten, sich des Konflikts anzunehmen.
Karin: „Sie sagen, Sie kommen mit Frau Müller nicht aus. Aber versetzen Sie sich mal in ihre Lage: Sie hat drei Kinder zu versorgen, ist allein stehend und Sie wissen, dass ihr Gehalt auch nicht so toll ist, da sie ja nur halbtags arbeitet. Die Frau muss schauen, wie sie über die Runden kommt. Da kann man doch verstehen, dass ihre Nerven blank liegen und sie hin und wieder etwas unangemessen reagiert.“
Karin appelliert hier ganz deutlich an Mitleidsgefühle, um zu beschwichtigen und das Problem, das Lydia schildert so schnell wie möglich ad acta zu legen.
Die Überlegenheit der Gefühle
Es gibt einen Spezialfall eines emotionalen Appells, den wir an dieser Stelle noch anführen möchten. Dabei wird herausgestellt, dass wir unseren Gefühlen mehr vertrauen sollten als der nüchternen und kalten Vernunft. Der Grundgedanke ist: Wer seinen Gefühlen und Emotionen vertraut, der ist wahrhaft vernünftig. Ein Beispiel macht diese Taktik deutlich:
Beispiel
Rudolf ist Betriebsrat bei ReNoKlax. Im Unternehmen sollen etliche Mitarbeiter entlassen werden, um das Unternehmen wieder flott zu kriegen. In einem Fernsehinterview äußert er sich. Rudolf: „In diesem Fall geht es nicht einfach nur um kalte Zahlen, sondern es geht um Menschen. Wir sollten daher auch unser Gefühl sprechen lassen. Die reine Vernunft hat uns oft genug im Stich gelassen. Ein bisschen mehr Vertrauen auf unser Gefühl und unsere Intuition kann uns nicht schaden. Kennzahlen sind nicht alles. Sie spiegeln nicht die ganze Wahrheit wider. Es ist daher eindeutig eine falsche Entscheidung das Wert in Hintertupfing zu schließen“
Mit diesem letzten Appell an die Überlegenheit von Gefühlen schließen wir unsere Sammlung emotionaler Appelle ab. Der Übersicht halber fassen wir sie noch einmal gebündelt zusammen, jeweils mit einer kurzen Bemerkung, in welcher Situation der Manipulator dazu tendieren wird, den Appell anzuwenden.
Ein Überblick über die emotionalen Appelle
Appell an populäre Gefühle: Einsetzbar, wenn eine allgemeine Stimmungslage getroffen werden kann.
Appell an das Wir-Gefühl: Einsetzbar, wenn es eine Gemeinsamkeit zwischen Sprecher und Adressat gibt.
Appell an die Furcht: Einsetzbar, wenn eine unsichere und nachteilige Zukunft droht.
Appell an das Mitleid: Einsetzbar, wenn Personen unter einer Sache leiden werden.
Appell an moderate Gefühle: Einsetzbar, wenn es zwei Extreme gibt und die eigene These als Mittelweg dargestellt werden kann.
Appell an die Fairness: Einsetzbar, wenn Fragen der Gerechtigkeit eine Rolle spielen können.
Appell an die Überlegenheit der Gefühle: Einsetzbar wenn man Kritik an kalter, rationaler Vernunft üben will.
Wie schützt man sich vor solchen emotionalen Appellen?
Der wichtigste Schritt ist zu erkennen, dass mittels emotionalem Appell versucht wird, Sie zu etwas zu bewegen. Hier wird also nichts begründet, sondern nur appelliert. Wenn man das erkannt hat, dann gibt es folgende weitere Schutzmöglichkeiten:
Sie können durch kritisches Fragen den Gesprächspartner dazu auffordern, sachliche Gründe anzuführen.
Sie können die Taktik auch ignorieren und weitermachen,
oder die Schallplatte mit Sprung auflegen.
Sie können auch die Taktik beim Namen nennen, sollten aber das angesprochene Gefühl ernst nehmen.
Diese letzte Art der Verteidigung erleben wir in folgendem Fall. Katharina wendet sie an:
Beispiel
Monika appelliert an Mitleidsgefühle: „Wenn wir Herrn Peter jetzt entlassen, wird er vielleicht keinen neuen Arbeitsplatz mehr finden. Immerhin ist er schon 55 Jahre alt. Er hat eine kranke Tochter zu Hause, und seine Frau ist vor kurzem gestorben. Obwohl er aktiv Mobbing gegen Kolleginnen betrieben hat, sollten wir ihm noch eine Chance geben.“
Katharina: „Natürlich ist mitfühlendes Verständnis wichtig (Anerkennung des Gefühls). Aber wir sollten eine Entscheidung nicht auf dieses Gefühl gründen, sondern auf zwingende Gründe (rationale, sachliche Gründe werden benötigt). Herr Peter war die entscheidende Person in der Mobbing-Affäre. Wir müssen auch unsere Mitarbeiter schützen. Wir haben ihnen gegenüber auch Verpflichtungen. Daher müssen wir Herrn Peter so schnell wie möglich entlassen - auch wenn uns das nicht leicht fällt.“
Katharina spricht
Weitere Kostenlose Bücher