Mann der 1000 Namen
ging es weiter: grün, blau, rot, gelb – Biogegenkontrolle, nannten sie es.
Offenbar (das nahm Steven jedenfalls an), sollte er den Helm die ganze Zeit tragen. Wenn er lernte, bestimmte Gedanken beizubehalten, würde ein Computer, mit dem der Helm durch Subradio verbunden war, reagieren, indem er – ja, wie eigentlich?
Aber das erklärten sie ihm nicht so genau. Abwarten, sagten sie. Steven hatte den Eindruck, daß diese stotternden Trottel sich einbildeten, auf etwas Großes gestoßen zu sein. Martell bewegte ganz offensichtlich eine unterdrückte Aufregung, das verriet sein unverständliches Gestammel, das wiederum den tieferen Überlebensinstinkt in Steven abstieß, während sein höheres Ich Befriedigung über die unverkennbare Neurose des Wissenschaftlers empfand.
8.
Im Augenblick der Transition fuhr der echte Mark Bröhm mit den Bewegungen fort, die man normalerweise ausführte, wenn man Gläser mit schäumendem Bier abstellt. Voll Erwartung dachte er daran, daß die Gäste, die es bestellt hatten, gewöhnlich ein gutes Trinkgeld gaben.
In diesem Augenblick geschah es. Nackte Wilde schoben ihn vorwärts. Er befand sich auf einem hügeligen Terrain, unter einem weiten bläulichen Himmel – und er war vom vielen Laufen entsetzlich müde.
Während jener ersten Minuten überlagerte die Trauer über das verlorene Trinkgeld das Bewußtsein, daß eine einschneidende Änderung stattgefunden hatte und er nun mit hinter dem Rücken gefesselten Händen durch eine malerische Wildnis rannte.
Wie kann ein Mensch sich einer solchen Transition anpassen? Für Mark war es nicht schwer.
Jeden Augenblick, dachte er, werde ich dahinterkommen, wer mir das Betäubungsmittel untergejubelt und mich hierher verfrachtet hat. Wo bin ich eigentlich? Vage dachte er an eine Gegend im mittleren Westen der Vereinigten Staaten.
Sein ganzes Leben hatte er in intensivstem Realismus verbracht. Nichts überraschte ihn. Die Welt war, was sie war. Und die Menschen? Er hatte eine sehr abschätzige Meinung über sie. Für ihn waren sie Schafe. Er würde schon erfahren, welche sich hier als seine Wärter aufspielten und was sie mit ihm vorhatten.
Niemand tat etwas grundlos. Als er mit seinen automatischen Überlegungen soweit war, erreichten die Wilden vor ihm ein bewaldetes Gebiet. Sofort verlangsamten sie ihren Lauf.
Mark fand seine Puste erstaunlich schnell wieder. So rasch sogar, daß er sich wunderte. Verständlicherweise kam er gar nicht auf die Idee, daß er nun über einen bedeutend jüngeren Körper verfügte. (Steven hatte seine nächtlichen Ausschweifungen fast immer durch Tennis ausgeglichen – nicht, weil er sich absolut fithalten wollte, sondern weil das Spiel, in dem er sehr gut war, ihm Spaß machte.)
Im Schatten der tief herabhängenden Äste kam Mark zu der Folgerung, daß er einer Verwechslung zum Opfer gefallen war. Irgendwann hatte man ihm ein Betäubungsmittel ins Bier gegeben, das ausgerechnet dann wirkte, als er die beiden freigiebigen Kunden bediente. Der Rest war durch simple Logik zu erklären. Der Rettungswagen, der ihn abgeholt hatte, war gar nicht echt gewesen, und man hatte ihn hierher verfrachtet, in die Hände dieser – ja, wer waren diese Leute eigentlich?
Kopfschüttelnd betrachtete er die fast Nackten, die vor ihm, links und rechts von ihm und hinter ihm daherschritten. Je eher er ihnen glaubhaft machen konnte, daß eine Verwechslung vorlag, desto schneller würde er zu seiner Arbeit zurückkehren können.
»Heh!« rief er laut.
Niemand wandte auch nur den Kopf nach ihm. Niemand schien ihn zu hören. Die gesamte Gruppe bewegte sich ungerührt auf dem natürlichen schmalen Pfad durch die eng beisammen stehenden Bäume weiter.
Na schön, ihr verdammten Strolche, dachte Mark grimmig. Er blieb stehen, spreizte die Beine und stemmte sich innerhalb bereits gegen den Zug des Stricks, dessen Ende von mehreren Männer gehalten wurden.
Gleichzeitig öffnete er erneut die Lippen. »Heh!« brüllte er erneut. »Wir wollen in Ruhe über alles sprechen – ahh ...«
Letzteren Laut stieß er aus, als er erbarmungslos vorwärtsgeschleift wurde. Seine Wächter verlangsamten ihre Schritte nicht im geringsten. Mit unwiderstehlicher Kraft und dem Ausdruck ihrer merkwürdigen Augen (sie blickten unangenehm wütend drein), brachen sie seinen jämmerlichen Widerstandsversuch.
Während des langen Tages musterte Mark Bröhm die Halbnackten immer wieder. Er kam zu dem Schluß, daß es sich bei ihnen um
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