Mann der 1000 Namen
Apartment gelegen hatte, rührte sich. Die Augen öffneten sich und starrten Lindy an, die besorgt vor ihm stand.
»Wo bin ich?« murmelte er.
»Du bist eingeschlafen«, erklärte sie ihm mitfühlend. »Mein armer Liebling. Sechsmal vergangene Nacht war eben selbst für einen Steven Masters zu viel ...«
»Ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen«, keuchte die Utgers-Stimme. »Ich bin Mark Bröhm.« Abrupt setzte er sich auf. »Heh, ich war doch gerade noch auf dem Floß und – und ...«
15.
Es fehlte nicht viel, und Steven wäre ins Wasser gefallen. Im letzten Augenblick gelang es ihm, sich an einem der Stämme festzuklammern.
Er streckte sich keuchend aus und blickte sich um. Er befand sich auf einem Fluß, dessen beide Ufer von Häuserruinen eingesäumt waren. Vorsichtig schob er den Kopf über das Floß und betrachtete sein Spiegelbild.
Er stieß einen erfreuten Pfiff aus und machte es sich nun sitzend auf dem Floß bequem. Ein herrliches Gefühl, dachte er, wieder im eigenen Körper zu stecken, wieder ganz Steven Masters zu sein.
Vergnügt vor sich hin pfeifend, ließ er ein paar Minuten verstreichen. Ein paar Minuten nichts zu tun, was für Steven Masters eine lange Zeit. Während er eigentlich nichts dachte, hatte er sich jedoch bereits das Ziel gesetzt, den Ort zu erreichen, an dem das Beiboot der zweiten Expedition gelandet war.
Als erstes wollen wir sehen, daß wir ans Ufer kommen, erklärte er dem Steven Masters-Körper väterlich. Er behandelte ihn doch tatsächlich als getrennt von seinem eigentlichen Ich. Das hatte jedoch nichts mit dem Glauben an eine »Seele« zu tun. Nach Stevens Auffassung war Gott schon lange tot. Früher einmal hatte er flüchtig an die Trennung des Körpers vom Ich gedacht und es mit dem kirliannischen Feld in Verbindung gebracht.
Umgehend wurde das seine Erklärung ein für allemal. Oder zumindest, bis ein Höherer ihn am Kragen packte und seine Nase gewaltsam in die Wahrheit stieß, was immer die Wahrheit sein mochte, und pausenlos auf ihn einbrüllte, was sie war. Wenn man sie lange genug durchhielt, hatte eine solche Taktik bisher immer zu einer automatischen Meinung in Steven geführt.
Doch da sich in diesem Fall noch niemand diese Mühe gemacht hatte, war es demnach Kirliann für Steven und nichts anderes und deshalb also kein Problem. Er erhob sich, um in den Fluß zu springen und zum kaum fünf Meter entfernten Ufer zu schwimmen. Vorher warf er jedoch noch einen Blick in das Wasser.
Eine krokodilähnliche Kreatur starrte ihn aus einer Tiefe von etwa einem Meter an.
In den nächsten Sekunden, nachdem er die bösartigen roten Augen entdeckt hatte, fühlte Steven sich gar nicht besonders wohl. Er wurde kreidebleich, und die Knie gaben nach. Zitternd setzte er sich wieder auf die zusammengebundenen Baumstämme.
Er sah, daß das Ungeheuer dem dahintreibenden Floß nachschwamm und das Wasser sich hinter ihm kräuselte. Es mußte eine gewaltige Länge haben. Die Angst packte ihn noch stärker, und sie schien auch durchaus gerechtfertigt.
Das riesige Ding schnellte sich, teilweise über dem Wasser, auf ihn zu. Die mit spitzen Zähnen bewaffnete Schnauze stieß wie ein Torpedo durch den Fluß. Unwillkürlich zuckte Steven zusammen und wich auf die entgegengesetzte Seite des Floßes aus.
Doch das provisorische Wasserfahrzeug war nicht stabil und auch nicht groß genug für eine so plötzliche Bewegung. Es legte sich schräg, daß Steven mit dem Wasser in Berührung kam, während die andere Seite, auf der das Krokodil sich befand, hoch aus dem Wasser ragte.
Steven kämpfte verzweifelt um sein Gleichgewicht. Dabei senkte die sich bisher hochragende Seite wieder und versetzte dem Untier einen heftigen Schlag auf die Schnauze.
Das Wasser schäumte wild auf. Das Floß schwankte haltlos hin und her. Steven klammerte sich an ein Stammende.
Als er sich endlich umzusehen vermochte, entdeckte er hinter dem Floß in beträchtlicher Tiefe etwas Weißes. Der Gedanke zuckte durch seinen Kopf, daß die Bestie sich auf den Rücken gedreht hatte und nun mit dem Unterkiefer als Stoßwaffe auf ihn zuschießen und ihn verschlingen würde.
Einen kurzen Augenblick war er überzeugt, daß es diesmal sein Ende war.
Rein automatisch hatte Steven sich während dieser schrecklichen Minuten umgesehen – soweit das mit angstverzerrtem Gesicht überhaupt möglich ist. Es ist jedoch ein bekanntes Phänomen, daß Menschen, die sich in Gefahr befinden, von einem Tiger angegriffen
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