Mann der 1000 Namen
zu werden, die Tendenz haben, auf den nächstbesten Baum zu klettern. Stevens Baum war das Ufer. Er bemerkte, daß der Fluß schmäler wurde und das Floß dem Ufer immer näher kam. Noch war es vier Meter entfernt, dann drei ...
Er machte sich zu einem verzweifelten Sprung bereit. Doch ehe er dazu ansetzte, warf er noch einen Blick zu dem Ungeheuer zurück.
Es kletterte gerade das linke Ufer empor. Als es aus dem Wasser tauchte, schien es zu verschwimmen. Stevens Augen begannen zu schmerzen, und es wurde ganz schwarz vor ihnen. Als er wieder zu sehen vermochte, erblickte er einen ihm nicht unbekannten Mann, der sich taumelnd aufrichtete.
Der Gi-Int! Der Kerl, der zweimal versucht hatte, ihn umzubringen!
Ein paar Sekunden stand er ganz still, vermutlich, um sich von der Transformation zu erholen. Dann begann er, am Ufer entlangzurennen.
Er war nackt – was an sich eigentlich nichts Bedrohliches war –, aber etwas sagte Steven, daß dieses Geschöpf sich in jede Art von Ungeheuer verwandeln konnte. Im Augenblick lächelte der Gi-Int genauso spöttisch wie bei den ersten beiden Begegnungen.
Er rief: »Steven, du hast mich überzeugt. Einem Mann, der ein Floß als Waffe zu benutzen vermag – es hat nicht viel gefehlt und ich wäre ertrunken –, kann ich meine Hochachtung nicht versagen. Wie wär's, wenn du ans andere Ufer springst und wir uns über den Fluß hinweg unterhalten?«
Steven stellte fest, daß dieses Ufer nun weniger als zwei Meter entfernt war. Er sprang.
Als er dem schnell davontreibenden Floß kurz nachblickte, empfand er ein momentanes Bedauern. Trotz seiner Primitivität war es immerhin ein Fortbewegungsmittel gewesen. In seiner Eile, an Land zu gelangen, hatte er vergessen, daß alle Leute, die er hier gesehen hatte, zu Fuß gewesen waren. Unter solchen Umständen war sogar ein Floß von nicht zu unterschätzendem Wert.
Steven – der seine eigene Jacht besaß (die er nie benutzte) und sein privates viermotoriges Düsenflugzeug (mit doppelter Besatzung, jeweils eine in Bereitschaft), ganz abgesehen von sonstigen Transportmitteln – hatte über der irdischen Wertschätzung die Bedeutung eines Floßes auf Mittend außer Betracht gelassen.
Da dies ein Fehler war, vergaß er es auf Stevensche Manier. Sofort war es, als hätte es nie ein Floß gegeben, als wäre seine Anwesenheit hier auf dem grasigen Ufer der eigentliche Anfang seiner gegenwärtigen Lage. Die völlige Ignorierung des unmittelbar Vergangenen schloß auch solch wichtige Betrachtungen aus, zum Beispiel, wie sein Körper überhaupt auf das Floß gelangt war.
Das alles mußte aus dem Gedächtnis verbannt werden, damit Steven der Gedanke gar nicht kommen konnte, er habe einen Fehler begangen. Und sein Kopf wurde tatsächlich davon befreit.
Nun, da das vergessen war, fühlte er sich bereits wieder viel unbekümmerter. Er starrte zu seinem Feind hinüber und sagte: »Was brütest du jetzt schon wieder aus?« Dem Tonfall nach, der eine kurze schnelle Antwort zu verlangen schien, war Steven fast wieder der alte.
»Steven«, rief der Mann über den Fluß. »So wie ich es sehe, bist du mir schon zu mächtig, als daß ich mich deiner noch entledigen könnte. Deswegen müssen du und ich zu einer Verständigung kommen.«
Diese Feststellung mußte Steven erst verdauen. Im Augenblick hatte er zu seiner Verteidigung nichts weiter als seine Persönlichkeit und seinen reichlich mitgenommenen Coverall, den er unter dem Raumanzug getragen hatte, aber keine Waffe, nicht einmal ein Taschenmesser. Als er damals aus dem ersten Raumschiff gestiegen war, wollte er eine gute Figur machen, und er hatte deshalb nichts in den Taschen gelassen, das sie hätte ausbeulen können.
Ein witziger Freund (nach dieser Bemerkung war er jedoch die längste Zeit sein Freund gewesen) bemerkte einmal zu Steven, wenn je die Gerechtigkeit siegen würde und Steven bekäme, was ihm zustünde, würde er vor lauter aufgeblasener Ichbezogenheit mit ohrenbetäubendem Knall zerplatzen.
Es lag mehr Wahrheit in dieser Bemerkung, als ihr Urheber ahnte. Steven war die Ichbezogenheit in Person, und das war es. Er log nicht und täuschte auch nichts vor. Steven war kein Mensch, der seinen Vorteil durch bewußten Betrug zu erlangen suchte. Die Falschheit in ihm war wörtlich in ihm. Was ihm nicht behagte, vergaß er sofort. Es existierte für ihn ganz einfach nicht mehr.
Nun starrte er den anderen ein wenig verblüfft an und sagte: »Ich verstehe nicht, was du mit mächtig
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