Mann der 1000 Namen
als wüßte er alles.
Dann erkannte er, daß er lediglich wußte, was die Stimmen zu ihm sagten, und mit seinem Geist nahm er alles auf, was jene, die zu ihm sprachen, sahen, hörten, berührten, spürten und noch weiteres.
In regelmäßigen Abständen zählte ein Teil von ihm diese Stimmen. Es waren 8 mal 11 23 plus 119. Die letzte Zahl änderte sich mit jedem Mal. Gleich nach 119 wurde es 1138, dann 821 923. Abrupt sprang die Gesamtzahl auf 8 mal 11 34 , doch bald darauf sank sie erneut in die 11 23 -Serie.
Jede der Stimmen hatte eine andere Botschaft für ihn. Für jede strahlte er eine sofortige Antwort aus, entweder indem er die Erwiderung mit einem Teil seines Geistes dem Fragesteller projizierte, oder indem er dem Bittsteller die Möglichkeit gab, seinen Wunsch zu erfüllen. Oder beides.
All das kostete ihn weder Mühe noch einen bewußten Gedanken. Die Multi-multi-multi-Nachrichten trafen ein, er nahm sich ihrer an und vollbrachte daraufhin etwas noch viel Erstaunlicheres. Er hatte ausreichende Möglichkeit in sich selbst – das heißt, die junge Frau im Garten verfügte über sie –, diese Botschaften und die Art und Weise ihrer Erledigung dauerhaft abzulegen, wo sie jederzeit einsehbar waren.
Diesmal war es nicht, wie Steven allmählich erkannte, ein »normaler« Persönlichkeitsaustausch. Was immer das »Ich« dieses Frauenkörpers war, es war verschwunden. Soweit hatte sich nichts geändert. Vermutlich steckte es nun in Daniel Utgers' Körper und blickte Lindy Utgers an.
Was sich geändert hatte, war, daß dieser Körper und sein Geist auf eine Weise weiterfunktionierten, die Steven Masters' Begriffsvermögen überschritt.
Sein gegenwärtiger Körper bog gerade um einen Baum und stieß auf drei junge Frauen, die ihn offensichtlich erwarteten. Mit einem Blick sah er, daß sie ohne Ausnahme von überdurchschnittlicher Schönheit waren, zwei blond, die dritte brünett. Alle drei waren schlank und etwa einsfünfundsechzig groß. Sie trugen weiße Gewänder.
Eine der beiden Blonden sagte in perfektem Englisch: »Mein Name ist Eent, Steven. Ich bin eine von achthundertsechsundachtzig Frauen, die in dem Gebäude dort hinter den Bäumen wohnen. Dein gegenwärtiger Körper ist ebenfalls dort zu Hause. Und wir alle zusammen ergeben Mutter.«
»Dann bin ich also auf Mittend«, murmelte Steven, ohne auch nur einen Blick von ihr zu lassen.
»So einfach ist das nicht«, erwiderte Eent. »Wir befinden uns nicht wirklich auf einem Planeten – wenn du das verstehen kannst.«
»Nein«, gestand Steven ehrlich. »Das kann ich nicht.«
»Dann versuch es auch gar nicht«, riet ihm die Brünette lächelnd. »Ich bin Granze. Du reagierst sehr schnell, Steven, als du einen automatischen Austausch verwarfst und an Mutter dachtest. Aber es ist noch zu früh dafür, und ich muß dir leider sagen, daß es dir das nächste Mal nicht gelingen wird, wenn du es versuchen solltest. Tu es also nicht, wenn du an deinem Leben hängst. Außerdem hat allein deine jetzige Anwesenheit in Kalkins Körper dich so verändert, daß du nie wieder in den Körper eines Menschen schlüpfen kannst, dem du Unrecht tatest. Doch trotz dieser vorteilhaften Entwicklung hast du noch einen weiten Weg vor dir, ehe du auch nur die Chance erhältst, uns zu retten.«
»Retten wovor?« fragte Steven rasch.
»Unsere Rasse erreichte zu früh die Vollkommenheit«, erklärte ihm die dritte und fügte hinzu: »Mein Name ist Hormer. Das heißt, zu früh im Verhältnis zur Entwicklung anderer. Wir hatten einen Grad innerer Reinheit erzielt, der nicht zuließ, daß wir töteten oder irgend etwas taten, das andere verletzen würde. Schon seit vielen Jahren – seit wir unseren Fehler erkannten – versuchen wir, diese Entwicklung rückgängig zu machen und zu lernen, was notwendig ist, in einer Welt zu leben, wie sie ist. Das heißt, einen Weg zu finden, der Gewalt auf humane Weise zu begegnen. Zu diesem Zweck suchen wir einen Beschützer, der ohne innere Hemmung für uns handeln kann.«
Es war eine jener langen Erklärungen, denen Steven gewöhnlich überhaupt nicht folgte. Erstaunlicherweise vernahm er trotzdem erstaunlich viel davon. Allerdings blieben seine Gedanken zum Teil an dem Wort Reinheit hängen.
Er hielt nicht viel davon. Für ihn bedeutete Reinheit Sexlosigkeit, Gutes tun und Langeweile.
Doch was ging es ihn an, solange er hier Informationen sammeln konnte (wenn er recht verstanden hatte, beabsichtigten sie, ihn jeden Augenblick wieder
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