Mann im Dunkel
Ihnen bereits geschildert habe. Irgendwelche Leute sind hinter mir her. Sie verlangen etwas von mir, was ich nicht tun will, und jetzt wissen sie, dass ich im Exeter wohne. Das heißt, ich kann dort nicht bleiben. Deswegen bin ich wieder hier. Um Sie um Hilfe zu bitten.
Warum mich?
Weil Sie der einzige Mensch sind, den ich hier kenne.
Sie kennen mich nicht, sagt Molly und verlagert ihr Gewicht vom rechten auf das linke Bein. Ich habe Ihnen Rührei serviert, ich habe Ihnen ein Zimmer besorgt, wir haben uns fünf Minuten lang unterhalten. Wie wollen Sie mich da kennen?
Sie haben recht. Ich kenne Sie nicht. Aber ich wüsste nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte.
Warum sollte ich für Sie etwas riskieren? Sie stecken offenbar in Schwierigkeiten. Schwierigkeiten mit der Polizei oder der Armee. Oder vielleicht sind Sie aus diesem Krankenhaus geflohen. Schätze, das war wohl ein Irrenhaus. Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Ihnen helfen sollte.
Das kann ich nicht. Keinen einzigen, sagt Brick, es entsetzt ihn, wie falsch er die Frau eingeschätzt hat, wie dumm von ihm, sich einzubilden, er könne auf sie zählen. Das Einzige, was ich Ihnen anbieten kann, ist Geld, fügt er hinzu, als ihm der Umschlag mit den Fünfzigern in seinem Rucksack einfällt. Wenn Sie einen Ort kennen, wo ich mich für eine Weile verstecken könnte, bezahle ich Sie gern dafür.
Aha, das hört sich schon besser an, sagt die durchsichtige, nicht allzu verschlagene Molly. Von was für Beträgen reden wir denn so?
Keine Ahnung. Sagen Sie es mir.
Ich könnte Sie wohl für ein, zwei Nächte in meiner Wohnung unterbringen. Das Sofa dürfte groß genug für Sie sein. Aber rücken Sie mir nicht auf die Pelle. Mein Freund wohnt bei mir, und mit dem ist nicht gut Kirschen essen, falls Sie verstehen, was ich meine. Also kommen Sie nicht auf dumme Gedanken.
Ich bin verheiratet. Auf solche Sachen stehe ich nicht.
Sehr witzig. Es gibt auf der ganzen Welt keinen einzigen verheirateten Mann, der eine kleine Nummer nebenbei auslassen würde, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet.
Vielleicht lebe ich nicht in dieser Welt.
Ja, das kann schon sein. Das würde einiges erklären.
Also, wie viel würden Sie mir dafür berechnen?, fragt Brick, der den Handel endlich abschließen will.
Zweihundert Dollar.
Zweihundert? Das ist ziemlich happig, oder?
Sie haben ja keine Ahnung, Mister. Bei uns hier ist das der Tiefstpreis. Billiger geht’s nicht. Wenn Sie nicht wollen, dann lassen Sie’s eben.
Na schön, sagt Brick, senkt den Kopf und stößt einen langen traurigen Seufzer aus. Von mir aus.
Plötzlich das dringende Bedürfnis, meine Blase zu leeren. Ich hätte dieses letzte Glas Wein nicht trinken sollen, aber die Versuchung war zu groß, und ich gehe nun einmal gern ein wenig beschwipst zu Bett. Die Apfelsaftflasche steht neben mir auf dem Boden, aber als ich im Dunkel danach taste, kann ich sie nicht finden. Die Flasche war Miriams Idee – um mir die Schmerzen und Beschwerlichkeiten zu ersparen, die es mit sich bringt, wenn ich mitten in der Nacht aus dem Bett aufstehen und zum Bad humpeln muss. Eine ausgezeichnete Idee, vorausgesetzt die Flasche befindet sich in greifbarer Nähe. Nun, in dieser Nacht bekommen meine vorsichtig wedelnden Finger sie nicht zu fassen. Es bleibt mir nichts übrig, als die Nachttischlampe anzumachen, bloß dann kann ich die Hoffnung, doch noch einzuschlafen, vollständig begraben. Die Birne hat nur fünfzehn Watt, aber in der pechschwarzen Dunkelheit dieses Zimmers brennen sogar die in meinen Augen wie ein grelles Feuerwerk. Ich werde für einige Sekunden blind, und wenn sich meine Pupillen allmählich wieder weiten, bin ich hellwach, und selbst wenn ich die Lampe gleich wieder ausknipse, wird mein Gehirn bis zum Morgengrauen weiterschäumen. Ich weiß das aus langjähriger Erfahrung, aus meinem lebenslangen Kampf gegen mich selbst in den Gräben der Nacht. Na gut, nichts zu machen, nicht zu ändern. Ich schalte das Licht an. Ich werde blind. Ich blinzele langsam, während meine Augen sich anpassen, und erblicke schließlich die Flasche kaum fünf Zentimeter neben ihrem üblichen Platz. Ich beuge mich über die Bettkante, strecke mich noch ein Stückchen und packe das verdammte Ding. Dann werfe ich die Decken zurück, hieve mich in eine sitzende Haltung – vorsichtig, vorsichtig, um ja nicht den Zorn meines zertrümmerten Beins zu erregen –, schraube den Verschluss von der Flasche, stecke meinen Penis in die
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