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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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zugehört, ihrem Mann geduldig beim Erzählen dieser lächerlich absurden Geschichte zugesehen, dem haarsträubendsten Unsinn, den je ein Mensch von sich gegeben hat, wie sie findet. Unter normalen Umständen würde sie einen Wutanfall bekommen und ihm an den Kopf werfen, er betrüge sie mit einer anderen, aber das hier sind keine normalen Umstände, und Flora, die sämtliche Fehler ihres Mannes kennt und ihn in den drei Jahren ihrer Ehe unzählige Male kritisiert hat, hat ihn noch niemals einen Lügner genannt. Jetzt, angesichts dieser irrsinnigen Geschichte, ist sie so fassungslos, es verschlägt ihr die Sprache.
    Ich weiß, das klingt unglaublich, sagt Brick. Aber es ist alles wahr, jedes einzelne Wort.
    Und du erwartest, dass ich dir glaube, Owen?
    Ich kann es ja selbst kaum glauben. Aber es ist alles geschehen, Flora, genau so, wie ich es dir erzählt habe.
    Hältst du mich für bescheuert?
    Wie meinst du das?
    Entweder hältst du mich für bescheuert, oder du bist verrückt geworden.
    Ich halte dich nicht für bescheuert, und ich bin auch nicht verrückt geworden.
    Du redest wie ein Irrer. Wie diese Leute, die angeblich von Aliens entführt worden sind. Wie haben die Marsianer denn ausgesehen, Owen? Hatten sie ein Raumschiff?
    Hör auf damit, Flora. Das ist nicht witzig.
    Witzig? Wer will denn hier witzig sein? Ich will bloß wissen, wo du gewesen bist.
    Das habe ich dir doch erzählt. Glaub nicht, dass ich nicht in Versuchung war, irgendeine andere Geschichte zu erfinden. Irgendwas Blödes in der Richtung, ich sei überfallen worden und hätte jede Erinnerung an die letzten beiden Tage verloren. Oder ich sei von einem Auto überfahren worden. Oder in der U-Bahn die Treppe runtergefallen. Irgend so einen Mist. Aber ich habe beschlossen, dir die Wahrheit zu sagen.
    Vielleicht ist es das. Immerhin hat man dich zusammengeschlagen. Vielleicht hast du in den letzten zwei Tagen irgendwo in einer Ecke gelegen und das alles nur geträumt.
    Und wie kommt dann das hier an meinen Arm? Das hat mir eine Krankenschwester draufgeklebt, nachdem man mir die Spritze gegeben hatte. Es ist das Letzte, woran ich mich erinnern kann, bevor ich heute Morgen wieder die Augen aufgemacht habe.
    Brick schiebt seinen linken Ärmel hoch, deutet auf ein hautfarbenes Pflaster an seinem Oberarm und reißt es mit der rechten Hand ab. Hier, sagt er. Siehst du diesen kleinen roten Punkt? Das ist die Stelle, wo sie mir die Nadel reingestochen haben.
    Das hat nichts zu bedeuten! Flora wischt den einzigen handfesten Beweis beiseite, den Brick anzubieten hat. Es gibt tausend Möglichkeiten, wie du zu diesem roten Punkt gekommen sein könntest.
    Das stimmt. Tatsache bleibt, dass es auf nur eine einzige Weise geschehen ist, nämlich so, wie ich es dir erzählt habe. Der Punkt stammt von Frisks Nadel.
    Na schön, Owen, sagt Flora und gibt sich alle Mühe, nicht die Geduld zu verlieren, vielleicht sollten wir jetzt besser nicht mehr davon reden. Du bist wieder zu Hause. Alles andere interessiert mich nicht. Gott, Baby, du ahnst ja nicht, was ich in diesen zwei Tagen durchgemacht habe. Ich bin ausgerastet, echt total ausgerastet. Ich dachte, du seist tot. Ich dachte, du hättest mich verlassen. Ich dachte, du steckst bei einer anderen. Und jetzt bist du wieder da. Das ist wie ein Wunder, und wenn du die Wahrheit wissen willst, es ist mir wirklich egal, was du erlebt hast. Du warst weg, und jetzt bist du wieder da. Ende der Geschichte, okay?
    Nein, Flora, nicht okay. Ich bin wieder da, aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ich muss nach Vermont und diesen Brill erschießen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt, aber ich kann nicht einfach hier herumsitzen und warten. Wenn ich den Auftrag nicht ausführe, kommen diese Leute und erledigen uns. Eine Kugel für dich, eine Kugel für mich. Das hat Frisk gesagt, und zwar nicht im Scherz.
    Brill, knurrt Flora, und aus ihrem Mund hört sich der Name an wie eine Beleidigung in einer fremden Sprache. Ich wette, den gibt es gar nicht.
    Ich habe ein Foto von ihm gesehen, klar?
    Ein Foto beweist gar nichts.
    Genau das habe ich zuerst auch gesagt.
    Bleibt nur eine Möglichkeit, das herauszukriegen. Wenn er ein berühmter Schreiberling ist, muss er im Internet zu finden sein. Machen wir meinen Computer an und sehen mal nach.
    Frisk hat gesagt, Brill habe vor ungefähr zwanzig Jahren den Pulitzer-Preis bekommen. Wenn sein Name nicht auf der Liste steht, sind wir aus dem Schneider. Falls doch, dann sieh

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