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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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will nicht sterben. Mit siebenundzwanzig Jahren zu sterben, das ist doch idiotisch. Ich weiß nicht … vielleicht können wir weglaufen und uns irgendwo verstecken.
    Das würde nichts nützen. Egal wo wir hingehen, am Ende finden sie uns.
    Dann musst du diesen alten Mann vielleicht doch erschießen.
    Das hatten wir schon. Du warst dagegen. Erinnerst du dich?
    Aber da wusste ich gar nichts. Jetzt weiß ich Bescheid.
    Ich sehe nicht ein, was sich dadurch ändern sollte. Ich kann das nicht machen, und selbst wenn ich es könnte, würde ich doch bloß im Gefängnis landen.
    Wer sagt, dass sie dich erwischen? Mit einem guten Plan kommst du vielleicht durch.
    Hör auf damit, Flora. Du willst genauso wenig wie ich, dass ich das mache.
    Okay. Dann heuern wir jemanden an, der das für dich erledigt.
    Schluss jetzt. Mord kommt nicht in Frage. Verstanden?
    Und was dann? Wenn wir nichts unternehmen, sind wir heute in einer Woche tot.
    Ich werde dich wegschicken. Das ist der erste Schritt. Zurück zu deiner Mutter nach Buenos Aires.
    Eben hast du noch gesagt, die finden uns überall.
    An dir sind sie nicht interessiert. Ich bin es, hinter dem sie her sind, und wenn wir uns trennen, werden sie sich nicht die Mühe machen, dich zu suchen.
    Was redest du da, Owen?
    Ich will nur, dass du in Sicherheit bist.
    Und was wird aus dir?
    Keine Sorge. Mir fällt schon was ein. Ich werde mich von diesen Irren nicht umbringen lassen, das verspreche ich dir. Du fährst für eine Woche zu deiner Mutter, und wenn du wiederkommst, werde ich in dieser Wohnung sitzen und auf dich warten. Verstanden?
    Das gefällt mir nicht, Owen.
    Es muss dir nicht gefallen. Du musst es einfach nur tun. Mir zuliebe.
    Noch am selben Abend buchen sie einen Hin- und Rückflug nach Buenos Aires, und am nächsten Morgen fährt Brick seine Flora zum Flughafen. Er weiß, er wird sie nie mehr wiedersehen, und doch behält er tapfer die Fassung und lässt sich von den Qualen, die ihn zerreißen, nichts anmerken. Als er ihr an der Sicherheitsschleuse einen Abschiedskuss auf die Lippen drückt, inmitten von Scharen anderer Reisender und uniformierten Flughafenangestellten, bricht Flora plötzlich in Tränen aus. Brick nimmt sie in die Arme und streichelt ihren Kopf, aber nun, da er ihren Körper an seinem spürt und ihre Tränen erst sein Hemd, dann seine Haut befeuchten, weiß er nicht mehr, was er sagen soll.
    Schick mich nicht fort, sagt sie.
    Nicht weinen, flüstert er ihr ins Ohr. Es ist doch nur eine Woche. Wenn du nach Hause kommst, ist alles vorbei.
    Und so wird es sein, denkt er, als er in sein Auto steigt und vom Flughafen zurück nach Jackson Heights fährt. Zu diesem Zeitpunkt ist er fest entschlossen, sein Wort zu halten: Das heißt, er will eine weitere Begegnung mit Frisk und Rothstein vermeiden und in der Wohnung auf Flora warten – was nicht heißt, dass er vorhätte, bei ihrer Rückkehr noch am Leben zu sein.
    Es geht also praktisch um Selbstmord, hatte er zu Frisk gesagt.
    Könnte man sagen, ja.
    Brick geht auf seinen dreißigsten Geburtstag zu, und noch hat er in seinem ganzen Leben nicht ein einziges Mal daran gedacht, sich umzubringen. Jetzt denkt er an nichts anderes mehr; während der nächsten beiden Tage sitzt er in der Wohnung und versucht eine möglichst schmerzlose und effektive Methode zu ersinnen, sich aus der Welt zu schaffen. Er erwägt, eine Pistole zu kaufen und sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, erwägt, sich zu vergiften. Sich die Pulsadern aufzuschneiden, auch darüber denkt er nach. Ja, sagt er sich, ist das nicht die bewährte Methode? Eine halbe Flasche Wodka trinken, zwanzig oder dreißig Schlaftabletten hinterherkippen, sich in die warme Wanne legen und dann mit einem Tranchiermesser die Sehnen aufschlitzen. Angeblich spürt man so gut wie nichts dabei.
    Das Problem ist nur: Ihm bleiben noch ganze fünf Tage, und mit jedem dieser Tage geht mehr von jener Ruhe und Sicherheit verloren, die sich beim Blick in die Mündung von Frisks Revolver über ihn gesenkt hatten. Da war der Tod eine ausgemachte Sache gewesen, praktisch eine Formalität, doch als seine Ruhe nach und nach zu Unruhe wird und seine Sicherheit in Zweifel umschlägt, und er beginnt, sich den Wodka und die Tabletten, das warme Bad und die Messerklinge bildlich vorzustellen, kehrt plötzlich die alte Angst zurück, und schließlich muss er einsehen, dass seine Entschlossenheit verschwunden ist, dass er niemals den Mut aufbringen wird, die Sache hinter sich zu

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