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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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auf diese Weise befriedigender, mehr in Einklang mit meiner Stimmung – und die ist finster, meine Kleinen, so finster wie die obsidianschwarze Nacht, die mich umgibt.
    Ich plappere weiter, lasse meine Gedanken einander in wilder Hast umschwirren, um Sonia in Schach zu halten, aber trotz aller Anstrengungen ist sie immer noch da, die allgegenwärtige Abwesende, die so viele Nächte neben mir verbracht hat und jetzt in einem Grab auf dem Cimetière Montparnasse liegt, meine Französin, achtzehn Jahre war ich mit ihr verheiratet, neun Jahre von ihr getrennt und dann noch einmal einundzwanzig Jahre mit ihr zusammen, insgesamt neununddreißig Jahre, einundvierzig, wenn man die zwei Jahre vor unserer Hochzeit hinzurechnet, mehr als die Hälfte meines Lebens, und von alldem ist nun nichts mehr übrig als ein paar Schachteln mit Fotos und sieben zerkratzte LPs mit ihren Aufnahmen aus den sechziger und siebziger Jahren – Schubert, Mozart, Bach und die Chance, ihre Stimme wieder zu hören, diese kleine, aber schöne Stimme, ihren so überaus gefühlvollen, ihr ganzes Wesen zum Ausdruck bringenden Klang. Fotografien … und Musik … und Miriam. Auch unser Kind hat sie mir hinterlassen, das darf nicht übergangen werden, das Kind, das kein Kind mehr ist – was für ein seltsamer Gedanke, dass ich ohne sie längst verloren wäre, zweifellos jeden Abend betrunken, falls nicht schon tot oder im Krankenhaus künstlich am Leben erhalten. Als sie mich nach dem Unfall fragte, ob ich zu ihr ziehen wolle, lehnte ich höflich ab und erklärte, die Last, die sie zu tragen habe, sei auch ohne mich schon schwer genug. Darauf nahm sie meine Hand und sagte: Nein, Dad, du kapierst das nicht. Ich brauche dich. Ich bin so verdammt einsam in diesem Haus, ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertrage. Ich brauche jemanden, mit dem ich reden kann. Ich brauche jemanden, den ich ansehen kann, der mit mir am Esstisch sitzt, der mich ab und zu in die Arme nimmt und mir sagt, dass ich keine grässliche Person bin.
    Grässliche Person – das konnte nur Richard zu ihr gesagt haben, es musste ihm bei einem hässlichen Streit gegen Ende ihrer Ehe herausgerutscht sein. In blinder Wut sagen Menschen die schlimmsten Dinge, und es schmerzt mich, dass Miriam diese Worte als endgültiges Urteil über ihren Charakter, als Verdammung ihres Wesens im Gedächtnis trägt. Dabei ist sie voller Güte, voll jener selbstquälerischen Güte der Noriko im Film, und ebendeshalb ist es nahezu unausweichlich, dass sie sich noch immer die Schuld an den Ereignissen gibt, wenngleich es Richard war, der sie verließ. Ich weiß nicht, ob ich ihr damals eine große Hilfe gewesen bin, aber wenigstens ist sie nun nicht mehr allein. Wir beide hatten einen recht behaglichen Rhythmus gefunden, bevor Titus ums Leben kam, und ich möchte, dass du eins nie vergisst, Miriam: Als Katya in Schwierigkeiten steckte, ist sie nicht zu ihrem Vater gegangen, sondern zu dir.
     
     
     
       Unterdessen haben Frisk und Rothstein die Wohnung verlassen. Kaum ist die Tür hinter ihnen zugefallen, schüttet Flora einen Schwall übler spanischer Schimpfworte aus, dem Brick nicht folgen kann, da seine Kenntnis dieser Sprache sich auf einige wenige Brocken beschränkt, kaum mehr als Hallo und Auf Wiedersehen, aber er unterbricht sie nicht, sondern zieht sich in diesen dreißig Sekunden des Nichtverstehens in sich selbst zurück, um über das Dilemma nachzudenken, vor dem sie stehen, und darüber, was nun zu tun sei. Es kommt ihm seltsam vor, doch jegliche Angst scheint von ihm abgefallen zu sein, und obwohl er noch wenige Minuten zuvor der Überzeugung war, er und Flora könnten jeden Augenblick erschossen werden, ist er, statt in der Folge dieser unerwarteten Begnadigung das große Zittern zu kriegen, vollkommen ruhig geworden. Er hat seinen eigenen Tod in Form von Frisks Revolver vor sich gesehen, und selbst wenn die Waffe nicht mehr da ist, der Tod ist noch immer gegenwärtig – als sei er das Einzige, was ihm geblieben ist, als sei ihm, was er noch an Leben in sich trug, von diesem Tod genommen worden. Und nun, da Brick dem Untergang geweiht ist, muss er als Erstes für Floras Sicherheit sorgen, indem er sie so weit von sich fernhält wie möglich.
    Brick ist ruhig, aber das scheint auf seine Frau, die sich immer mehr in Rage redet, keine Wirkung zu haben.
    Was machen wir bloß?, sagt sie. Mein Gott, Owen, wir können doch nicht einfach hier herumsitzen und warten, dass sie wiederkommen. Ich

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