Mann im Dunkel
wieder rauszuhelfen.
Aber du gehörst zu Frisks Leuten. Wenn du für ihn arbeitest, steckst du auch mit drin.
Ich arbeite nicht für ihn. Das ist nur Tarnung.
Was soll das heißen?
Muss ich noch deutlicher werden?
Du bist Doppelagentin?
So was Ähnliches.
Du willst mir doch nicht weismachen, dass du auf der Seite der Föderalisten stehst.
Natürlich nicht. Ich hasse diese verfluchte Mörderbande.
Also?
Gedulde dich, Owen. Lass mir ein wenig Zeit. Eins nach dem anderen, okay?
Na schön. Ich höre.
Ja, ich habe dich für den Auftrag vorgeschlagen. Aber ich wusste nicht, worum es geht. Irgendwas Großes, haben sie gesagt, entscheidend für den Ausgang des Krieges, aber Einzelheiten hat man mir keine genannt. Genaueres habe ich erst erfahren, als du bereits auf der anderen Seite warst. Ich schwöre, ich hatte keine Ahnung, dass man dir befehlen würde, jemanden umzubringen. Und als ich dann davon hörte, hatte ich keine Ahnung, dass Frisk dir mit dem Tod drohen würde, wenn du den Auftrag nicht ausführst. Das sickerte erst gestern Abend durch. Deswegen bin ich hier. Weil ich dir helfen will.
Ich glaube dir kein Wort.
Natürlich nicht. An deiner Stelle würde ich mir auch nicht glauben. Trotzdem ist es die Wahrheit.
Komisch ist nur, dass es mich gar nicht mehr stört, Virginia. Wenn du lügst, meine ich. Ich habe dich zu gern, um mich darüber aufzuregen. Du magst eine Schwindlerin sein, du magst sogar diejenige sein, die mich am Ende umbringen wird, aber ich werde niemals aufhören, dich zu mögen.
Ich mag dich auch, Owen.
Du bist ein seltsamer Mensch. Hat dir das schon mal jemand gesagt?
Das höre ich ständig. Seit ich ein kleines Mädchen war.
Wann warst du das letzte Mal auf dieser Seite?
Vor fünfzehn Jahren. Es ist meine erste Reise. Bis vor drei Monaten war das noch völlig undenkbar. Du bist der Erste, der hin- und hergereist ist. Hast du das nicht gewusst?
Mir hat niemand etwas gesagt.
Es ist, als sei man in einen Traum geraten, oder? Derselbe Ort, aber vollkommen anders. Amerika ohne Krieg. Das ist schwer zu verdauen. Man gewöhnt sich ans Kämpfen, es geht einem in Fleisch und Blut über, und nach einer Weile kann man sich eine Welt ohne Krieg gar nicht mehr vorstellen.
Aber Amerika führt Krieg, auch jetzt. Nur nicht hier. Jedenfalls noch nicht.
Wie geht’s deiner Frau, Owen? Wie dumm von mir, ich kann mich nicht an ihren Namen erinnern.
Flora.
Ja, richtig, Flora. Möchtest du sie anrufen und ihr Bescheid sagen, dass du für ein paar Tage unterwegs bist?
Sie ist nicht in New York. Ich habe sie zu ihrer Mutter nach Argentinien geschickt.
Sehr clever. Das hast du gut gemacht.
Sie ist übrigens schwanger. Ich denke, das könnte dich vielleicht interessieren.
Gute Arbeit, Junge. Gratuliere.
Flora ist schwanger, und ich liebe sie mehr als je zuvor. Eher würde ich mir den rechten Arm abhacken, als irgendetwas tun, was sie verletzen könnte, und dennoch gibt es nur eins, was ich jetzt wirklich tun möchte: mit dir ins Bett gehen. Kann man das begreifen?
Aber selbstverständlich.
Ein letztes Mal ins Heu.
Red nicht so. Du wirst nicht sterben, Owen.
Also, was meinst du? Was hältst du davon?
Weißt du noch, was ich gesagt habe, als wir uns letztes Mal gesehen haben?
Wie könnte ich das vergessen?
Dann kennst du die Antwort bereits.
Sie überqueren die Grenze nach Massachusetts und machen wenige Minuten später halt, um zu tanken, auf die Toilette zu gehen und zwei miserable, in der Mikrowelle aufgewärmte Hotdogs in matschigen Brötchen zu verzehren, die sie mit einer Flasche Wasser runterspülen. Als sie zum Auto zurückgehen, nimmt Brick Virginia in die Arme, küsst sie und schiebt ihr die Zunge tief in den Mund. Das ist ein köstlicher Augenblick für ihn, die Erfüllung eines jahrzehntealten Traums, freilich nicht ungetrübt von Scham und Schuldgefühlen, denn dieses kleine Vorspiel zu weiteren Wonnen mit seiner alten Flamme ist das erste Mal, dass er eine andere Frau berührt, seit er mit Flora verheiratet ist. Doch Brick, der jetzt immerhin Soldat ist, ein Mann, der kämpfend an einem Krieg teilnimmt, rechtfertigt seine Untreue, indem er sich daran erinnert, dass er schon morgen ohne weiteres tot sein könnte.
Zurück auf dem Highway, stellt er Virginia die Frage, die er seit über zwei Stunden hinausgeschoben hat: Wohin soll die Reise gehen?
Wir haben zwei Ziele, sagt sie. Heute das erste, morgen das zweite.
Für den Anfang nicht schlecht. Würde es dir etwas
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