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Mann im Dunkel

Mann im Dunkel

Titel: Mann im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Geschichte des Krieges in jener anderen Welt, die auch diese Welt ist, und er darf nicht zulassen, dass irgendjemand oder irgendetwas ihn davon abhält.
    Es ist mitten in der Nacht. Virginia schläft neben ihm im Bett, ihr gesättigter Leib hebt und senkt sich im Rhythmus ihrer Atemzüge, die kühle Luft strömt in sie hinein und wärmer wieder heraus, während sie Gott weiß was träumt im fahlen Mondlicht, das durchs halbgeöffnete Fenster sickert. Brick liegt auf der Seite, dicht an sie geschmiegt, eine Hand auf ihrer linken Brust, die andere auf der Wölbung ihrer Hüfte, aber der Corporal ist unruhig, unerklärlich angespannt, und nachdem er sich fast eine Stunde lang vergeblich um Schlaf bemüht hat, gleitet er aus dem Bett, um nach unten zu gehen und sich einen Drink zu genehmigen. Vielleicht kann ein Schluck Whiskey die Beklommenheit eindämmen, die sich in seinem Innern regt, wann immer er an das morgige Treffen mit dem alten Brill denken muss. Er wirft den Frotteemantel des toten Ehemanns über, geht in die Küche und macht das Licht an. Konfrontiert mit dem Glanz dieses eleganten Raums, mit seinen schimmernden Oberflächen und kostspieligen Gerätschaften, beginnt er über Virginias Ehe zu spekulieren. Ihr Mann müsse beträchtlich älter gewesen sein, überlegt er, ein raffinierter Unternehmer mit dem nötigen Kleingeld, sich ein Haus wie dieses leisten zu können, und da Virginia noch nichts über ihn hat verlauten lassen (außer dass er reich gewesen sei), fragt sich der nicht so begüterte Zauberer aus Queens, ob sie den verblichenen Gatten wirklich gemocht oder nur seines Geldes wegen geheiratet habe. Die müßigen Betrachtungen eines Schlaflosen, der die Schränke nach einem sauberen Glas und einer Flasche Scotch durchsucht – die endlosen Banalitäten, die einem durch den Kopf spuken, wenn die Gedanken an Schärfe verlieren und ineinander zerfließen. So geht es uns allen, Jung und Alt, Reich und Arm, und dann bricht ein unerwartetes Ereignis über uns herein und reißt uns aus unserer Erstarrung.
    Brick hört die tieffliegenden Flugzeuge in der Ferne, dann das Donnern eines Hubschraubers, und gleich darauf den scharfen Knall einer Explosion. Die Fenster in der Küche zerspringen, der Boden bebt unter seinen bloßen Füßen und beginnt sich zu neigen, als seien die Fundamente des Hauses entzweigebrochen, und als Brick zur Treppe in der Eingangshalle rennt, um nach Virginia zu sehen, schlagen ihm gewaltige Flammen entgegen. Holzsplitter und Trümmer des Schieferdachs regnen herab. Er richtet den Blick nach oben und erkennt nach einigen Sekunden der Verwirrung, dass er durch die wallenden Rauchwolken in den Nachthimmel schaut. Die obere Hälfte des Hauses ist verschwunden, und das heißt, auch Virginia ist verschwunden, und obwohl er weiß, dass es sinnlos ist, quält Brick sich verzweifelt die Treppe hinauf, um ihre Leiche zu suchen. Aber die Treppe steht jetzt ebenfalls in Flammen, und wenn er noch näher herangeht, wird er darin umkommen.
    Er rennt in den Vorgarten, und überall um ihn herum stürzen sich schreiende Nachbarn aus ihren Häusern in die Nacht. In der Mitte der Straße hat ein Trupp föderalistischer Soldaten Aufstellung genommen, fünfzig, sechzig Männer mit Stahlhelmen und Maschinenpistolen. Brick hebt zum Zeichen der Kapitulation die Hände, aber das nützt ihm gar nichts. Die erste Kugel trifft ihn ins Bein, er sackt zusammen und umklammert die Wunde, Blut spritzt ihm auf die Finger. Bevor er den Schaden begutachten und die Schwere seiner Verletzung feststellen kann, fährt ihm eine zweite Kugel ins rechte Auge und tritt am Hinterkopf wieder aus. Und das ist das Ende von Owen Brick, schweigend verlässt er diese Welt, ohne Chance, noch ein letztes Wort zu sagen oder einen letzten Gedanken zu denken.
    Unterdessen liegt, fünfundsiebzig Meilen nordwestlich, in einem weißen Holzhaus im Süden Vermonts, August Brill schlaflos im Bett und starrt in die Dunkelheit. Und der Krieg geht weiter.
     
     
       Musste es so enden? Ja, wahrscheinlich schon, obwohl es nicht schwierig wäre, sich einen weniger grausamen Schluss auszudenken. Aber was hätte das für einen Sinn? Das Thema dieser Nacht ist der Krieg, und wo er nun mal in dieses Haus eingezogen ist, fürchte ich Titus und Katya zu beleidigen, wenn ich den Schlag abschwächte. Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Scheiß auf die Erde, und keinem ein Wohlgefallen. Das ist der Kern des Ganzen, das schwarze Zentrum der

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