Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
Gabriel grinste. “Ein Indianerkrieger kann sein Ziel auch von seinem galoppierenden Pferd aus treffen.”
“Mit so einem Bogen?”
Gabriel lachte auf. “Nein. Die Bogen der Krieger sind bedeutend kürzer. Dieser Bogen ist schon fast ein Langbogen wie ihn mein Vater benutzte, als er noch in Schottland auf die Jagd ging. Er hat es mich ebenfalls gelehrt, als ich noch ein Junge war, aber ich habe diese Sorte Bogen seitdem selten genutzt.”
“Und warum jetzt?”
“Zum Jagen ist er besser geeignet. Und da ich nicht vorhabe, ihn auf einem Pferd zu benutzen...” Gabriel zuckte mit den Schultern.
Hope hatte gesehen, dass er an den Abenden auch noch einen kürzeren Bogen gefertigt hatte. Als sie ihn fragte, wozu er zwei Bogen baute, hatte Gabriel geantwortet: “Um nicht aus der Übung zu kommen.”
Hope war gespannt, ob er ihr das Jagen vom Pferd aus auch beibringen würde, aber angesichts ihrer mäßigen Reitkünste bezweifelte sie es. Gabriel hatte ihr gezeigt, wie Indianerkrieger ritten, und ihr war mehr als einmal das Blut in den Adern gefroren, wenn er sich ohne Vorwarnung vom, wie es schien, rasend schnell dahingaloppierenden Pferd herunter beugte, um einen Gegenstand vom Boden aufzuheben, oder sich an die Flanke des Pferdes klammerte, um Feinden bei einem Angriff selbst kein Ziel zu bieten. Gabriel versicherte ihr zwar, dass er das Pferd auf der Bergwiese gar nicht so schnell laufen lassen konnte, wie in der Ebene, aber dennoch war es schlichtweg atemberaubend, und Hope wusste, dass sie sich derartige Kunststückchen niemals trauen würde.
“Ich werde morgen aufbrechen und in die Stadt fahren.”
Die Worte fielen plötzlich und gänzlich unerwartet. Hope erstarrte. “Was?”, fragte sie heiser. Sie hatte gedacht, er würde... Aber er hatte doch gesagt... Ihre Gedanken wirbelten durcheinander.
“Ich werde morgen in die Stadt fahren”, wiederholte Gabriel ruhig. Er legte einen Pfeil auf die Sehne. Zielen und Schuss waren eins. Der Pfeil zitterte mitten im Schwarzen. “Der Winter wird jetzt bald losbrechen, und wir brauchen noch Vorräte. Ich kann es nicht mehr länger hinauszögern, wenn ich nicht unterwegs vom Schnee überrascht werden will.” Er wandte sich zu Hope um, und seine Züge verfinsterten sich, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte.
“Was hast du denn gedacht? Dachtest du, ich würde mich aus dem Staub machen? Dich hier mutterseelenallein und ohne Vorräte zurücklassen?”
Hopes Gesicht wurde noch eine Spur blasser, und Gabriel wusste, er lag richtig. Er lachte bitter auf. “Verdammt Hope, wofür hältst du mich eigentlich? Du hast zwar gesagt, dass du mich liebst, aber gehört dazu nicht auch Vertrauen?”
Hope ließ den Kopf hängen. “Du hast Recht”, wisperte sie erstickt. “Es tut mir leid.”
Gabriel ergriff ihre Schultern und zog sie an sich. “Hör schon endlich auf, dich ständig bei mir zu entschuldigen”, brummte er, während er beruhigend ihren Rücken streichelte.
Vertrauen.
Er hatte es gerade nötig, Vertrauen zu predigen, wenn es ihm doch selbst so schwer fiel, Vertrauen zu schenken. Dabei wusste er, dass Hope ihn niemals enttäuschen würde.
Er hatte eine liebende Familie gehabt, hatte Eltern, Brüder, die alles für ihn tun würden, wenn er sie darum bat, und dennoch war er misstrauisch, weil ihm das Schicksal einmal vor langer Zeit einen grausamen Streich gespielt hatte.
Hope hingegen hatte nie etwas besessen. Sie hatte nur kurze Zeit Glück und Liebe kennen lernen dürfen, dafür aber jahrelang Brutalität und Gewalt. Konnte er ihr da also einen Vorwurf machen, wenn sie Angst davor hatte, wieder einmal von jemanden, den sie liebte, verlassen zu werden? Dass ihre Eltern und ihr Großvater nicht freiwillig gegangen waren, hatte für sie als Kind sicher keinen allzu großen Unterschied bedeutet. Es war das Ergebnis, das zählte.
Er barg sein Gesicht in ihrem weichen Haar. “Wo du hingehst, da werde ich auch hingehen”, murmelte er und zog sie noch fester an sich. “Ich werde dich niemals verlassen.”
Ich liebe dich , dachte Hope. Oh Gott, ich liebe dich so. Sie wusste, er wollte die Worte nicht hören und hoffte dennoch, dass er sie eines Tages zu ihr sagen würde.
“Und du bist sicher, dass das eine gute Idee ist?” Zweifelnd blickte Hope sich um. Dichter, aromatischer Dampf erfüllte die Hütte, und es erschien ihr nicht geheuer, hineinzugehen.
“Komm rein oder bleib draußen”, seufzte Gabriel und lehnte sich entspannt zurück.
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