Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
Nach mehr als einer Stunde über dem gähnenden Abgrund hatten sie schließlich einen Felsvorsprung erreicht, der sich am Abhang entlang zog und zudem stabil genug war, um ihr Gewicht zu tragen. Ihre größte Sorge – Cummings und seine Männer könnten sich noch in der Nähe aufhalten – bewahrheitete sich zum Glück nicht, und auch wenn Gabriel damit gerechnet hatte, dass die Hütte zerstört worden war, so traf Hope dieser Anblick gänzlich unvorbereitet. Während ihrer Klettertour hatte sie immer wieder von einem warmen Bad geschwärmt und der Gedanke hatte sie angetrieben. Gabriel hatte keinen Sinn darin gesehen, sie zu entmutigen, um so größer war nun ihre Enttäuschung.
Schluchzend lag sie in seinen Armen, und Gabriel wusste, wie sehr sie sich darauf gefreut hatte, ins Warme zu kommen, ein Feuer im Kamin zu entzünden, ein Bad zu nehmen und ihre eisigen Glieder wieder aufzuwärmen.
“Wir gehen nach Silver Springs”, sagte er unvermittelt.
Hope glaubte, sich verhört zu haben.
“Was?”, krächzte sie und sah ihn mit Tränen verschleierten Augen an, als hätte er den Verstand verloren. Gabriel erwiderte ihren Blick.
“Wir gehen nach Silver Springs”, bekräftigte er. “Hast du die Quittungen noch?”
Hope nickte zögernd und zog sie halb aus ihrer Brusttasche.
“Gut.” Gabriel bedeutete ihr, sie wieder einzustecken.
“Aber wieso? Gabriel, ich verstehe das nicht.” Sie sah sich um. “Ich will nicht zurück nach Silver Springs, und jetzt”, sie schluckte, noch immer den Tränen nahe, “hält mich auch hier nichts mehr. Alles, weswegen ich hierher zurückgekehrt bin, ist zerstört.” Flehentlich sah sie ihn an. “Lass uns von hier fortgehen, bitte. Mit dem Gold, das wir schon gefunden haben, können wir ein neues Leben beginnen, weit, weit weg von hier.”
Nachdenklich schüttelte Gabriel den Kopf. “Willst du etwa dein Leben lang auf der Flucht sein, Hope?”, fragte er dann und sah ihr tief in die Augen.
“Aber Cummings…”
“Sieh dich um”, meinte Gabriel und deutete auf die Fuß- und Hufspuren, die den Boden vor dem alten Hauptstollen und dem Tunnel, durch den sie geflohen waren, aufgewühlt hatten. “Cummings hat irgend etwas gesucht, und ich möchte wetten: uns. Also ich an seiner Stelle…” Er verstummte. Mit schnellen Schritten eilte er auf einen Ast zu, der scheinbar unversehrt neben der Hütte im Boden steckte. Ein Lederfetzen flatterte im Wind, und Gabriel zerknüllte ihn wütend in seiner Hand, nachdem er die Worte darauf gelesen hatte.
“Was ist?”, fragte Hope, die ihm gefolgt war.
“Cummings weiß, dass wir leben. Zumindest ahnt er es.” Er reichte Hope die Nachricht. Es dauerte einige Sekunden, bis sie die verschmierten Buchstaben entziffert hatte, aber dann wich jegliche Farbe aus ihrem Gesicht.
“Oh, mein Gott”, wisperte sie. Entsetzt sah sie Gabriel an. “Das ist nur ein Grund mehr um wegzulaufen. So weit wie es nur irgend geht. Gabriel, bitte…”
Gabriels Blick glitt in die Ferne.
Wo immer ihr seid, ich kriege euch!
“Nein”, sagte er dann entschlossen und sah sie an. Verdammt, er war schon zu lange davongelaufen, vor seinen Erinnerungen, vor seinen Gefühlen und vor seiner Zukunft. Es war Zeit, dass er sich zumindest der Gegenwart stellte. Das schuldete er Hope – und er schuldete es auch sich selbst.
“Es gibt keinen Ort, wohin wir gehen können. Wäre ich an Cummings’ Stelle, dann würde ich sicherstellen, dass wir uns nirgendwo mehr sehen lassen können, ohne Schwierigkeiten zu bekommen. Ich würde in der Stadt verbreiten, dass wir beide für den Tod des Sheriffs und der Deputies verantwortlich sind, und dann würde jeder Gesetzeshüter und wahrscheinlich auch bald jeder Kopfgeldjäger im Land Jagd auf uns machen. Wir wären nirgendwo mehr sicher. Immer auf der Flucht. Ist es das, was du willst.”
“Aber es ist doch nicht wahr”, rief Hope verzweifelt. Wir haben doch niemandem etwas getan.”
Gabriel lachte grimmig. “Aber das wird niemanden interessieren, glaub mir. Ich fürchte, unser Steckbrief wird schon bald auf uns warten, ganz egal, wohin wir uns auch wenden.”
“Vielleicht hättest du mich ihm doch ausliefern sollen”, flüsterte Hope erstickt und blickte zurück zu den Resten ihrer verbrannten Hütte. “Dann könntest wenigstens du dein Leben in Frieden weiterleben.”
Gabriel zog sie an sich. “Ohne dich gibt es für mich keinen Frieden, Hope. Ich habe das Gefühl nicht mehr gekannt, bis zu dem Tag, an dem
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