Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
Bereich des Raumes. Die Verhandlung fand im Schulhaus statt, in dem auch alle offiziellen Versammlungen und der sonntägliche Gottesdienst abgehalten wurden. Der Richter, ein älterer, finster dreinblickender korpulenter Mann, betrat den Raum und nahm hinter dem Pult Platz. Die Anwesenden ließen sich wieder auf ihre Stühle nieder. Einige zuckten zusammen, als Faulkner mit seinem Hammer für Ruhe sorgte. Dann richtete er seinen Blick auf den Ankläger, Carl Fraisier.
“Fangen Sie an”, meinte er ohne Umschweife und faltete seine Hände auf dem Pult.
“Die Angeklagten, Miss Hope Granger und Mister Gabriel McKinlay werden beschuldigt, am 18. September des Jahres 1874 den Sheriff von Silver Springs, Chester Danefield und seine Deputies Hank Myers, George Pennwick und Buster Corlay aus niederen Beweggründen erschossen zu haben. Auslöser war die Tatsache, dass Sheriff Danefield die hier Angeklagte, Hope Granger, wegen Diebstahls verhaften und sie wieder in die Obhut von Mister Nigel Cummings geben wollte, dem sie entflohen war. Sie arbeitet bei ihm die Schulden ab, die ihr Großvater, Lukas Granger bei Mister Cummings gemacht hatte. Zudem hat sie ihm eine größere Summe Geld gestohlen, als sie geflohen ist.”
“Was sagt die Verteidigung?”
Blanchett erhob sich. “Nicht schuldig, Euer Ehren.”
“Natürlich”, murmelte Faulkner, dann schwenkte sein Blick zurück zum Vertreter der Anklage.
“Haben Sie Beweise für die Anschuldigungen?”
“Selbstverständlich, Euer Ehren”, versicherte ihm Fraisier und blätterte geschäftig in seinen Unterlagen, als müsse er sich erst noch über sein weiteres Vorgehen informieren.
“Also”, meinte er dann nach einer raschelnden Kunstpause, “ich rufe als erstes Mister Nigel Cummings in den Zeugenstand. Seine Aussage dürfte die Anschuldigungen, die gegen die Angeklagten vorgebracht werden, klar untermauern und keinen Zweifel mehr an ihrer Schuld lassen.”
Mit bangem Gefühl in der Magengegend beobachtete Hope, wie Nigel Cummings auf dem Zeugenstand Platz nahm. Er schwor feierlich auf die Bibel, die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, aber Hope wusste, dass selbst diese Worte gelogen waren. Die Heilige Schrift bedeutete Cummings gar nichts. Nervös strich sie den Rock ihres neuen Kleides über ihren Knien glatt. Warum nur konnte der Anlass, ein so schönes Kleid zu tragen, kein erfreulicherer sein?
Getreu seines Wortes, hatte Ferdinand Blanchett ihnen frische Kleidung besorgt. Einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und einer silber-schwarzen Brokatweste für Gabriel und ein schlichtes, aber elegantes Kleid für sie. Der Rock bestand aus dunkelblauer, fein gesponnener Wolle und war so lang, dass er die Spitzen ihrer neuen, mit dem kleinen Absatz äußerst ungewohnten Stiefelchen verbarg, wenn sie stand. Aber Hope liebte das Gefühl des weich fallenden Stoffes an ihren Beinen. Das Mieder war aus taubenblauer Seide gefertigt, eng anliegend und mit einer Reihe winziger Perlmuttknöpfe zwischen zwei cremefarbenen Spitzenbahnen. Der Kragen bestand aus dunkelblauer Seide so wie auch die Bündchen an den Ärmeln, und war ebenfalls mit cremefarbener Spitze besetzt. Dazu trug sie ein ebenfalls taubenblaues Jäckchen. Hope seufzte innerlich. Es war das erste, richtige Kleid, das sie seit ihren Kindertagen besessen hatte, und sie konnte sich, so sehr sie sich auch anstrengte, nicht mehr an die hübschen Kleidchen erinnern, die ihre Mutter für sie gekauft oder genäht hatte.
Aus den Augenwinkeln warf sie einen Blick zu Gabriel. Der Anzug, den er trug, erinnerte an den, in dem sie ihn gesehen hatte, als er im Saloon gepokert hatte. Verglichen mit den anderen Männern im Raum, so fand Hope, wirkte Gabriel wie ein Raubtier inmitten einer Herde Schafe.
Elegant, beherrscht, tödlich.
Seine zivilisierte Kleidung konnte darüber nicht hinwegtäuschen. Es war seine Ausstrahlung, die ihn so deutlich von seinen Mitmenschen unterschied, dabei konnte Hope noch nicht einmal sagen, ob es eher das dunkelhäutige Erbe seiner Mutter war oder die hoch gewachsene Statur seines Vaters, die ihn zu so einer beeindruckenden Erscheinung werden ließ. Wenn der Prozess doch nur schon vorbei wäre…
Hope zwang sich, ihr Augenmerk wieder auf Nigel Cummings zu richten, der sie mit einem süffisanten Lächeln beobachtete.
Bald schon gehörst du wieder mir , schienen seine Augen zu sagen, und Hope fühlte wir ihr ein Schauer des Entsetzens über den Rücken rann. Auch
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