Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
Cummings hoffte, dass ihre Anwesenheit den oder die Täter, wenn schon nicht gänzlich abschrecken, so doch zumindest vertreiben würden, wenn sie brüllend und mit einem Besen bewaffnet hinter ihnen her rannte. Wie sie das bewerkstelligen sollte, während sie die ganze Nacht im Saloon arbeitete, war ihr zwar noch nicht ganz klar, aber darüber würde sie sich später Gedanken machen.
“Und nimm ein Bad, damit du hier nicht alles einsaust”, hatte Cummings ihr noch gewohnt barsch befohlen, ehe er verschwunden war, kaum dass er ihr das Zimmer gezeigt hatte.
Das hatte sich Hope nicht zweimal sagen lassen. Sie hatte Vern überreden können, ihr eine Kupferbadewanne und mehrere Eimer heißen Wassers hinauf in den ersten Stock zu schleppen und voller Vorfreude darauf gewartet, endlich ins Wasser sinken zu können. Was auch immer ihn dazu bewogen haben mochte: Cummings zeigte sich heute ausnahmsweise von seiner netten Seite, und Hope war nicht bereit, angesichts ihres himmlischen Bades einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden.
Sie wusste gar nicht mehr, wie gut es sich anfühlte, sauberes Haar zu haben. Schon vor langer Zeit hatte sie aufgegeben, es regelmäßig zu waschen, zumal sie so selten Seife zur Verfügung hatte. Sie hatte auch gelernt, das Jucken zu ignorieren. Normalerweise kämmte sie die dicken Strähnen mit den Fingern grob durch und flocht sie zu einem Zopf, den sie dann am Hinterkopf zu einer wenig reizvollen Frisur aufsteckte.
Heute aber gönnte sie sich den Luxus einer Haarwäsche und massierte den duftenden Schaum tief in ihre Kopfhaut.
Hope kam es vor, als wäre sie gerade erst ins Wasser gesunken, dabei bereits Stunden vergangen sein, als sie sich endlich wieder aus der Wanne erhob. In einem Schubfach der alten, wackligen Kommode hatte sie tatsächlich wunderbar weiche Baumwollhandtücher gefunden und trocknete sich damit ab. Ihre Haut glühte rosig und prickelte, und Hope konnte den Gedanken, ihr schmutziges Kleid wieder anzuziehen, kaum ertragen. Über dem Paravent hing ein seidener Morgenmantel, aber der war wohl kaum für sie bestimmt. Ob Vern es ihr wohl erlauben würde, dass sie sich aus dem Laden ein Kleid ausborgte, bis sie ihr eigenes gewaschen hatte und es wieder trocken war? Ganz bestimmt hatte er nichts dagegen. Hope trat hinüber zum Paravent, um nach dem Morgenrock zu greifen, als sie ihre Reflektion im Spiegel bemerkte. Sie erschrak beinahe bei dem Anblick, der sich ihr bot. Herrje, wie lange war es her, seit sie sich, abgesehen von den verzerrten Bildern in Fensterscheiben, zuletzt im Spiegel gesehen hatte? Sie vermochte es selbst nicht genau zu sagen, aber es musste zu der Zeit gewesen sein, als ihr Großvater noch gelebt hatte.
Zehn Jahre.
War es tatsächlich schon mehr als zehn Jahre her, seit er gestorben war? Zehn Jahre, seit sie Nigel Cummings’ Eigentum geworden war? Es war später Herbst gewesen, als Cummings sie versklavt hatte, jetzt war schon wieder Mai. Zehneinhalb Jahre. Damit war sie jetzt fast neunzehn.
Neugierig trat sie näher an den Spiegel heran und betrachtete sich. Sie hatte sich verändert, stellte sie fest. Sehr sogar. Sie war größer geworden, was sie nicht erstaunte, hatte sie ihr Wachstum doch am ständigen Kürzerwerden ihrer Kleider ablesen können, aber auch ihr Gesicht war ein anderes geworden. Beinahe musste sie lachen, dass ihr eigenes Gesicht ihr so fremd geworden war, dass sie sich selbst nicht auf der Straße erkannt hätte, wäre sie sich jemals selbst begegnet. Ihre sommersprossige Stupsnase war ein wenig länger geworden, aber noch immer schmal mit einem kecken kleinen Schwung nach oben. Ihre Haut war blass, kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie fast immer nachts arbeitete und die Tage im Laden oder im Lager verbrachte. Ihr Gesicht war schmal mit hohen Wangenknochen, und sie hatte fein geschwungene Augenbrauen. Einzig ihre Augen hatten sich nicht verändert. Sie waren noch immer von demselben Grau, an das sie sich erinnerte.
Ihr Blick glitt tiefer.
Ihr Körper war dünn. Zwar nicht mager, aber auch alles andere als üppig, was sie angesichts der harten Arbeit, die sie verrichtete und der kleinen Rationen, die Cummings ihr zugestand, auch nicht weiter erstaunte. Ihre festen Brüste mit den zarten, rosigen Spitzen rundeten sich, sehr zu ihrem Unmut, bereits seit einer ganzen Weile immer mehr. Ihre Handflächen reichten schon nicht mehr aus, um sie ganz zu bedecken, wenn sie sie probehalber darüber legte, und es wurde somit
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