Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
einmal dabei erwische, wie Sie einen Mehlsack heben, lege ich Sie eigenhändig übers Knie.”
Hope wollte aufbrausen, überlegte es sich aber anders angesichts der drei alten Männer, die vor dem Laden auf einer Bank saßen, ihre Pfeifen rauchten, und, wie sie genau wusste, alles, was um sie herum geschah, mit großem Interesse beobachteten.
“Ich habe schon immer schwere Dinge gehoben”, wisperte sie, sodass nur Gabriel sie hören konnte, während sie Seite an Seite arbeiteten.
“Kann schon sein. Aber in meiner Gegenwart werden Sie das nicht tun. Ab sofort bestimme ich, was, und wie schwer Sie heben können.”
“Sie haben mir keine Vorschriften zu machen!”, zischte Hope wütend. “Das ist nicht Teil unserer Abmachung.”
“Ach nein? Dann sollten sie es ab sofort als Teil unserer Abmachung betrachten, weil es eine weitere Bedingung ist, die ich stelle.” Hope hielt in ihrer Arbeit inne und starrte ihn ungläubig an.
“Sie haben keine weiteren Bedingungen zu stellen!”, entfuhr es ihr. “Wir waren uns einig...”
“Sprechen Sie leiser, wenn Sie nicht wollen, dass in fünf Minuten die ganze Stadt weiß, wer Sie sind. Wir haben ein interessiertes Publikum.” Auch ihm waren die drei Alten nicht entgangen.
Hope senkte den Kopf, sodass ihr Hut ihre Augen beschattete und ihre Züge verbarg. Dann funkelte sie Gabriel unter der Krempe hervor wütend an.
“Ich weiß selbst, was ich kann, und ich werde mir von Ihnen nicht vorschreiben lassen, was ich tun darf.”
“Schön. Dann betrachteten Sie unsere Partnerschaft als beendet.”
“Das können Sie nicht tun! Wir haben eine Abmachung.”
“Und wie wollen Sie mich daran hindern? Wollen Sie mich etwa verklagen? Ich glaube nicht und nicht nur, weil dann Cummings erfährt, wo Sie sind. Sie brauchen mich, Hope, und ich werde nicht zusehen, wie Sie sich zugrunde richten, auch wenn Cummings das bislang von Ihnen verlangt hat.”
“Was hat das denn damit zu tun? Ich bin stark, und wir beide wissen es.” Hope hörte Gabriels leises Lachen und blickte ihn finster an.
“Schon gut, schon gut. Sie sind stark. Aber seien Sie ehrlich: Ich bin nun einmal stärker. Keinem von uns ist geholfen, wenn Sie sich durch Ihren Starrsinn verletzten, während ich Ihnen die schweren Sachen abnehmen kann.”
Ein wenig besänftigt durch seine beschwichtigenden Worte, wandte sich Hope wieder dem Beladen des Wagens zu. Es war eine große Menge Vorräte, die McKinlay eingekauft hatte, mehr als ausreichend, sodass sie vor Einbrechen des Winters höchstens noch einmal in die Stadt mussten. Entweder wollte er die ihnen verbleibende Zeit optimal nutzen – oder verhindern, dass jemand sie bei einer erneute Fahrt in die Stadt erkannte.
Endlich hatten sie alles verstaut. Der Wagen, den McKinlay erstanden hatte, war weder schön, noch würden sie bequem sitzen, aber dafür war er geräumig und solide gebaut.
“Was haben Sie noch gekauft?”, wollte Hope wissen, aber McKinlay antwortete nicht. Statt dessen warf er das Bündel, das er ohne ihr Beisein erstanden hatte, auf die Ladefläche und schloss die hintere Klappe.
“Können Sie allein aufsteigen?”, fragte er knapp. Bei dem entrüsteten Blick, den sie ihm zuwarf, hätte er am liebsten laut gelacht, aber er verkniff es sich.
“Natürlich”, meinte Hope pikiert und erklomm ohne seine Hilfe den Kutschbock. Sie ergriff die Zügel und machte klar, dass sie zu lenken beabsichtigte, während Gabriel sich auf der anderen Seite hinauf schwang.
“Ich halte es für das beste, wenn wir die Stadt so schnell wie möglich verlassen. Fahren Sie zum Mietstall, damit wir die Pferde abholen und dann los.”
Ohne ein Wort löste Hope die Bremse und trieb die beiden Mulis an, die gehorsam loszuckelten. Staub stob unter ihren Hufen auf und trieb in langen Fahnen über die Hauptstraße.
Einige Tage zuvor war einer der inzwischen seltenen Siedlertrecks durch die Stadt gezogen und hatte ein wenig außerhalb sein Lager aufgeschlagen. Seitdem kamen ständig Fremde in die Stadt, um einzukaufen oder auch nur, um sich im Saloon ein wenig die Zeit zu vertreiben, ehe es weiterging auf die letzte Etappe des langen Weges gen Westen. In den letzten Jahren war die Anzahl der Trecks immer weiter gesunken. Vor über zwanzig Jahren, im Jahre 1850, als jeder amerikanische Bürger, der älter war als 18 Jahre, 129 Hektar Land umsonst bekam, wenn er es anschließend nur vier Jahre bewirtschaftete, und sogar die doppelte Menge, wenn er verheiratet war,
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