Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
kehrtgemacht.
Er fluchte inbrünstig und setzte ihr nach. Das Donnern über ihren Köpfen wurde lauter, und Gabriel blickte besorgt auf den immer stärker anschwellenden inzwischen trüb-schlammigen Sturzbach, der sie jeden Augenblick erreichen musste.
“Hope! Nein!”, brüllte er über das Tosen hinweg, aber sie hörte nicht auf ihn. Verzweifelt versuchte sie, ihre Katze zu ergreifen, und Gabriel stieß erleichtert den Atem aus, als ihre Finger sich um das pelzige Bündel schlossen – nur um entsetzt aufzuschreien, als aus mehreren Karstrinnen gleichzeitig sintflutartige Wassermassen hervor schossen, sich in der Senke zu einem reißenden Strom vereinigten und beide, Hope und Katze, mit sich hinfort rissen.
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
Gabriel schnellte sich vorwärts.
Das Wasser war eisig, als es über seinem Oberkörper zusammenschlug und raubte ihm einen Moment lang den Atem. Bereits nach wenigen Sekunden hatte Gabriel jedes Gefühl in den Händen verloren, während er verzweifelt versuchte, Hope zu ergreifen.
Er war so schnell gerannt, wie nie zuvor in seinem Leben, den Blick starr auf Hopes schreckensbleiches Gesicht und ihre vor Angst weit aufgerissenen Augen gerichtet, als sie sich mit aller Kraft gegen die reißenden Fluten anstemmte. Schließlich hatte er sich ihr entgegen geworfen – genau in dem Augenblick, als Hope den Kampf verloren hatte. Der Sturzback toste weiß schäumend um sie herum und riss sie mit sich in einen der kleineren Stollen im Fels.
Gabriels Herzschlag setzte aus, als er Hope in der Dunkelheit verschwinden sah. Seine zupackenden Hände erhaschten Stoff, fassten nach, schlossen sich um ein zerbrechlich wirkendes Handgelenk und hielten es fest. Für Sekunden erspähte er Hopes Gesicht, ein weißes, Wasser überflutetes Oval in der Dunkelheit, in dem ihre ängstlichen Augen riesengroß wirkten.
Gabriel biss die Zähne zusammen.
Er musste sie festhalten, er musste…
Voller Entsetzt bemerkte er, wie ihr Handgelenk seinem Griff zu entgleiten drohte. Seine Finger schlossen sich fester um ihren Arm, so fest, dass er befürchtete, ihre Knochen würden brechen, aber unaufhaltsam glitten seine vor Kälte fast erstarrten Finger an ihrer nassen Haut entlang, während der Sog des tosenden Wassers drohte, Hope in die Tiefe zu reißen.
“Deine andere Hand!”, brüllte Gabriel, nicht sicher, ob Hope ihn über das Rauschen hinweg überhaupt verstand. Seine Schultern blockierten den Eingang zum Stollen, aber noch immer brandete der reißenden Sturzbach mit urtümlicher Gewalt um ihn herum.
“Deine Hand!”, brüllte er noch einmal. Täuschte er sich oder schüttelte Hope den Kopf?
“Hope”, presste Gabriel zwischen fest zusammengebissenen Zähnen hervor. “Oh Gott, ich kann dich nicht halten …” Er spürte bereits ihre Finger, während das Wasser an ihren Körpern zerrte, spürte wie sie tiefer rutschte. Noch einmal versuchte er nachzugreifen, sie noch einmal zu fassen – vergeblich. Er sah Hopes Augen, sah die Angst, die darin aufflackerte, als das Wasser sie endgültig seinen Fingern entriss und sie in der Dunkelheit des bodenlosen Abgrundes verschwand.
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Einen Moment lang lag Gabriel reglos vor dem Stollen, wie betäubt, unfähig, das Geschehene zu begreifen.
Sie war fort.
Er war heiser, und sein Hals schmerzte von den unzähligen Malen, die er bereits ihren Namen gebrüllt hatte, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.
Das eisige Wasser brandete noch immer um ihn herum, aber er merkte bereits, wie die schlammigen Fluten an Kraft verloren. Nur ein paar Minuten länger, vielleicht auch nur Sekunden… Wenn es ihm gelungen wäre, Hope nur ein wenig länger festzuhalten, hätte die zerstörerische Kraft des Wasser von allein nachgelassen.
Wenn.
Gabriel presste die Augenlider fest aufeinander, teils aus Verzweifelung, teils um das aufsteigende Brennen in seinen Augen zurückzudrängen.
Fort.
Oh Gott, das durfte nicht sein. Nicht Hope, nicht sie….
Gabriel bohrte seine Handballen in seine Augenhöhlen. Noch immer glaubte er, Hopes angsterfüllte Augen vor sich zu sehen, glaubte, ihre Hand in seiner zu spüren. Das Gefühl, als ihre schmalen Finger durch die seinen glitten, abrutschten…
Sie durfte nicht tot sein!
Entschlossen stemmte Gabriel sich vom Boden hoch. Sie durfte nicht tot sein. Nicht Hope. Er würde nicht zulassen, dass sie starb. Nicht, ehe sie sich ihren Traum von einem eigenen Kleid erfüllt hatte. Im Gegensatz zu ihm hatte sie noch
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