Mann mit Anhang
zu
beißen.
Ronald steckte den Schirm in
den Sand und breitete das bunte Badetuch aus. Dann holte er aus der Tasche die
Karten und mischte sie. Er hatte sich angewöhnt, mit Angelika Romme zu spielen,
das erste Spiel gleich nach dem Frühstück. Er wollte nicht mit vollem Magen ins
Wasser gehen. Romme war so beruhigend, ein honettes Spiel für einen Mann in
seinen Jahren, weitaus übersichtlicher als das Spiel mit dem Feuer.
»Ich habe schon fast vergessen,
ob mein Buchhalter eine spitze oder eine runde Nase hat«, sagte er, während er
die Karten austeilte, »die Erholung hat begonnen.« Er sah Angelika Kurz
freundlich an und war ihr plötzlich dankbar, daß sie so ruhig und anspruchslos
und ohne besondere Erwartungen bei ihm saß und nichts anderes von ihm zu
gewinnen trachtete als höchstens fünf Peseten. Sie hatten beschlossen, um Geld
zu spielen, um dadurch dem Spiel mehr Reiz zu verleihen. »Glauben Sie, daß ein
alternder Mann eher zu Torheiten neigt als ein junger?« fragte er, während er
die Pikdame zog und sie bedächtig in seinen Kartenfächer einordnete.
Angelika Kurz ließ sich nicht
verwirren durch seine Frage. Das hing mit ihrem Beruf zusammen. Kinder fragten
auch ständig die unglaublichsten Dinge und mußten eine klare Antwort darauf
erhalten.
»Ich glaube, daß jeder Mensch
in jedem Lebensalter zu Dummheiten neigt. Es besteht lediglich ein Unterschied
in der Bewertung. Ältere Herren machen sich mit ihren Dummheiten lächerlicher
als junge in der Sturm-und-Drang-Zeit.«
Ronald ließ die Hand mit den
Karten sinken. Ältere Herren! Unwillkürlich straffte er die Schultern. Er
blinzelte in die Sonne und sah, daß Nicos Haut sich am Rücken rötete. »Wir
sollten ihm Jackys Halsband umbinden und ihn am Schirm festleinen, er kommt uns
sonst immer wieder aus und kriecht in die pralle Sonne.« Er holte Nico Zwo, der
einem kleinen spanischen Mädchen Sand ins Gesicht warf, unter den Schirm. Dann
ließ er sich zurücksinken in den Sand. »Ich wußte nie, wie so ein
Großvaterglück aussieht«, sagte er nachdenklich zu den großen weißen Punkten in
dem roten Schirm, durch den das gefilterte Sonnenlicht drang.
»So, uns genügt es für heute
vormittag«, erklärte Angelika nach einer Weile. Sie schlüpfte in ihren
Bademantel, nahm Nico Zwo auf den Arm und ging mit ihm dem Haus zu. Der blonde
Lehrer aus Franken, der die Welt durch seine große Hornbrille immer so positiv
betrachtete, gesellte sich ihr zu. Ronald sah es mit Erleichterung. Angelika
Kurz war also versorgt. Er wußte, daß sie mit dem jungen Mann abends spazieren
ging und daß er ihr auch gestern die Zeit verkürzt hatte. Er hatte heute morgen
Zigarettenstummel einer Sorte, die er nicht rauchte, auf dem Boden der Terrasse
entdeckt. Um so besser.
In der Tasche seines Bademantels
fand er ein Stück Papier und einen Bleistift. Aus Scherz entwarf er den Text zu
einem Telegramm an John MacCrowley. »Jetzt oder nie. Sheila braucht energischen
Mann. Ich leider durch Umstände verhindert. Kommen Sie auf dem schnellsten Weg
zurück.«
Er hörte ein Auto, und
plötzlich wußte er, daß er genau auf dieses eine Motorengeräusch gewartet
hatte: auf das volle, wie erzürnt klingende Dröhnen des weißen Sportwagens.
Als Sheila über den Sand kam,
stand er auf und ging ihr entgegen, ohne Eile, als handle es sich um eine
Verabredung. »Da sind Sie.«
Sie trug einen kurzen
Frottemantel in einem aufreizenden Rot. Es war ein Rot, in dem Tomaten und
Kirschen Krieg miteinander führten. Paul Uckermann wäre entzückt. »Ich war
vorhin schon mal hier, aber Sie hatten natürlich kein Auge für mich. Da drehte
ich noch mal ein paar Runden«, sagte sie. Ihre sonngebräunten Beine schimmerten
wie Seide. Sie setzte sie vorsichtig voreinander, als bewege sie sich auf einem
schmalen Steg.
»Wann vorhin?«
»Als Sie im Kreis Ihrer Familie
schwelgten. Ich habe Sie beobachtet.« Sie blieb stehen und maß ihn düster.
»Warum haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie mit Frau und Kind hier sind?«
»Ah, Sie meinen Nico Zwo und
Angelika«, sagte er. »Es ist mein kleiner Enkelsohn und die Kinderschwester.«
»Und Ihre Frau?«
»Meine Frau ist tot.«
Sheila fuhr sich an die Stirn.
»Ach, ich vergaß. Ich glaube, man erzählte es mir einmal.«
Unter dem roten Schirm lag noch
das bunte Badetuch mit dem eingewebten Teddybären, auf dem Nico Zwo gesessen
hatte. Sheila ließ sich darauf nieder. »Mamas Mann ist auch tot«, sagte sie
unvermittelt. »Ich erfuhr es heute
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