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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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aufheulen,
stieß zurück und brauste mit einer scharfen Rechtskurve ab. Der sandige Kies
stob fauchend unter den Rädern davon.
    Ronald blickte dem Wagen nach.
Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, daß dieses exaltierte Mädchen eine
halsbrecherische Fahrt durch die Nacht unternahm. Sie hatte den schweren Wein
viel zu rasch hinuntergestürzt. Einen Augenblick erwog er, ob er ihr nachjagen
sollte. Nein, das führte nur zu einem Rennen auf Leben und Tod. Sheila würde
ihren Ehrgeiz dareinsetzen, ihn abzuhängen, sie würde sich nicht einholen
lassen.
    Er kehrte auf die Terrasse
zurück und beschloß, auf sie zu warten. Ein Kellner kam an seinen Tisch und
fragte nach Miß Macon. Er hielt ein Telegramm für sie in der Hand. Miß Macon?
Ach so, das war ja Sheila.
    »Woher?«
    »Ich glaube, aus Rio de
Janeiro.«
    Ronald starrte ihn an, als habe
er etwas Ungeheuerliches gesagt. »Sie wissen auch nicht, wo ich jetzt Miß Macon
erreichen kann?« fragte der Bote.
    Ronald schüttelte unwillig den
Kopf, als störe ihn jemand in einer sehr wichtigen Meditation. Rio. Jeannette.
Unwillkürlich streckte er die Hand nach dem Telegramm aus, aber der junge Mann
trat schulterzuckend einen Schritt zurück. »Ich werde Miß Macon suchen.«
    »Jawohl. Womit denn? Mit dem
Fahrrad? Esel«, knurrte er, als er gegangen war.
    Er war verärgert. Um sich die
Zeit zu vertreiben, formte er mit Streichhölzern Figuren. Eine Stunde nach
Mitternacht brach er auf.
     
    Hinter Calpe, wo der Weg von
der Hauptstraße abzweigte, jagte der weiße Wagen in einem Höllentempo an ihm
vorbei. Na schön, wenigstens hatte es sie nicht Kopf und Kragen gekostet. Sie
würde jetzt in ihr Hotel zurückkehren, im Zorn das Telegramm aufreißen und
irgendeine Belanglosigkeit erfahren. Leute aus Übersee verkehrten fast
ausschließlich telegraphisch miteinander. Warum nicht? Der Telegrammstil war
ein sauberer, klarer und ehrlicher Stil. Ein Stil ohne Umschweife. Er zwang zu
festumrissenen Entschlüssen und Formulierungen. Ronald malte sich aus, wie
viele Mißverständnisse vermieden würden, wenn die Menschen sich alle ihre
Mitteilungen telegraphisch machten.
    »An Hand von Tochter
festgestellt, daß Verlust von Mutter unerträglichen Schaden bedeutet — erbitte
Vorschläge für neue Verhandlungsbasis.« So ungefähr müßte sein heutiges
Telegramm an Jeannette lauten.
     
     
     

13
     
    Am nächsten Morgen bemühte er
sich, alles in einem nüchternen Licht zu betrachten, ohne Mond, ohne den
schweren Wein, ohne Nachsicht gegen sich selbst. Nachdenklich schlürfte er den
starken Morgen-Espresso, den Juanita ihm gebraut hatte. Nico Zwo spielte auf
der Erde. Er robbte Jacky von rückwärts an und krallte sich mit seinen fetten,
braungebrannten Händchen in das weiße Fell ein. »Eigentlich erwarte ich heute
Nachricht von meiner Tochter«, sagte er zu Angelika Kurz.
    Sie nickte, ohne den Blick von
Jacky zu lassen. Sie schwebte in ständiger Angst, daß Jacky sich einmal
vergessen und nach seinem Peiniger schnappen könnte.
    Ronald las ihre Gedanken. »Wann
werden Sie aufhören, schlecht von meinem Hund zu denken, Angelika. Haben Sie
noch nie etwas von einem Gentleman-Agreement gehört? Nico überläßt Jacky seine
ausgespuckten Kekse, dafür beißt Jacky ihn nie.«
    Angelika hatte sich während
dieser Tage an der Küste verändert. Sie sah braungebrannt und frisch aus, und
Ronald gewahrte überrascht, daß sie einen weichen, sehr mädchenhaften Mund und
anmutig geschnittene Augen besaß. Trotzdem wünschte er, Goggi säße ihm
gegenüber und steckte sich ihre Morgenzigarette an und nähme ihm mit sanfter
Eindringlichkeit die dritte Scheibe Weißbrot aus der Hand und sagte: »Sei bitte
nicht so gefräßig, Papa, du weißt, daß ich dich nicht mit einem Bauch sehen
will.«
    Nico Zwo hatte sich inzwischen
entschlossen, den Korbstuhl zu benagen. Er brüllte Protest, als Angelika ihm
anstatt des Stuhles einen Zwieback anbot. Es war seine Zeit, hinunter an den
Strand zu gehen.
    Ronald schritt voraus. Er trug
den großen Sonnenschirm und die riesige gelbe Ente aus aufgeblasenem Gummi.
Hinter ihm kam Angelika mit Nico Zwo und der Badetasche im Arm, gefolgt von
Jacky. Sie sahen aus wie eine glückliche Familie.
    Als Nico Zwo auf den warmen
Sand abgesetzt wurde, kroch er augenblicklich mit der Behendigkeit einer Krabbe
davon und warf sich mit ausgebreiteten Armen dem Meer entgegen. Er fiel vornüber,
schrie vor Vergnügen und versuchte, die vorbeigehenden Menschen in die Füße

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