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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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es mir Spaß macht, kann ich zwanzig Schritte bis dort
vorn an den Rand gehen und mich ins Meer stürzen. Keiner kann es mir verbieten.
Ich kann mein Geld vertrinken. Oder verspielen. Ich kann mir Liebhaber dafür
kaufen. Ich kann es sogar an eine Frau hängen, wenn ich will.«
    Ronald hatte Respekt vor diesem
elementaren Ausbruch. Er ließ sie toben. Armes, kleines Ding. Wie stark mußte
man sie verletzt haben, daß sie so geworden war, ein Kind ohne Nestwärme, eine
Tochter, die von der Mutter nicht mit Freuden geboren worden war.
    Ein Teil der Schuld trifft
mich, dachte Ronald. Er begann die bebenden Schultern zu klopfen, wie man ein
scheuendes Pferd zu beruhigen versucht. Armes, verschrobenes Geschöpf.
    Sheila setzte sich jäh auf. Ihr
Gesicht war von Sand und Tränen verschmiert. Sie sah erbarmungswürdig und sehr,
sehr jung aus, ein Gassenkind, das sich weh getan hatte. »Das verzeihe ich
Ihnen nie«, murmelte sie voll leidenschaftlichem Groll.
    Ronald griff nach ihren beiden
Händen und hielt sie fest.
    »Was?«
    »Daß ich auf Sie hereingefallen
bin. Und daß Sie mich so gesehen haben, so — so lächerlich. Ich hasse Sie. Ich
begreife nicht, wie Mama Sie je lieben konnte.«
    »Das begreife ich selbst
nicht«, entgegnete er trocken. »Wollen wir ins Hotel hinuntergehen und eine
Kleinigkeit trinken? Vielleicht fällt uns eine Erklärung ein.«
    »Ich kann nicht gehen, mein Fuß
tut zu weh.« Sie hob kleine Steinchen auf und schleuderte sie weg. Ein Kind,
das bockte.
    Ronald seufzte innerlich. Vor
wenigen Minuten noch war er bereit gewesen, sich zu einer Torheit hinreißen zu
lassen. Der Gedanke an ein Abenteuer hatte etwas Erregendes für ihn gehabt.
Aber nun war alles anders; mit Jeannettes Tochter hatte man keine Affäre. »Wenn
Sie nicht gehen können, müssen wir die Nacht hierbleiben. Oder ich trage Sie«,
sagte er rauh.
    Sheila lehnte sich wortlos
wieder gegen seine Schulter. Sie grübelte mit geschlossenen Augen. »Wir bleiben
die Nacht über hier, es ist warm genug. Es ist mir auch egal, daß Sie mal vor
ewigen Zeiten Mama geliebt haben.«
    Ich werde mich jetzt wie ein
braver Soldat schlagen, sagte sich Ronald. Rückzugsgefechte eines Ehrenmannes.
    Er hob sie empor und murmelte:
»Es kommt mir vor, als ob ich meine eigene widerspenstige Tochter trüge.« Die
Bürde in seinen Armen war so leicht!
    Sheila lag mit geschlossenen
Augen und fächelte. »Reden Sie ruhig weiter. Sie können mir doch nie und nimmer
einreden, ich hätte väterliche Gefühle in Ihnen erweckt. Ich weiß sehr gut, was
ein Mann empfindet, wenn er ein Mädchen in den Armen hält. Ich habe meine
Erfahrungen.«
    Während sie sprach, blickte
Ronald auf den schönen, eigenwilligen Mund. Ein Mädchen mit Erfahrung? Nein,
ein scheues, angeschlagenes kleines Ding, das sich in die Aufschneiderei
flüchtete. Aber er hütete sich, seine Gedanken zu verraten. »Wie geht es
Jeannette?« fragte er und verbesserte sich. »Ihrer Mutter? Ich habe lange
nichts mehr von ihr gehört.«
    Sheila zuckte die Schultern.
»Mama geht es immer gut. Sie kann nie untergehen«, sagte sie mit einem nicht
ganz echten Groll in der Stimme. Sie hatte die Arme um seinen Hals geschlungen.
Auf diese Weise trug er sie leichter.
    »Glauben Sie immer noch, daß
ich von irgend jemand geschickt worden bin?«
    Sheila schüttelte bedächtig den
Kopf. »Nein, jetzt nicht mehr. Höchstens von einem guten Stern.«
    »Was hatten Sie vorhin gemeint,
als Sie sagten, Sie seien so gut wie verheiratet?« fragte sie.
    »Ich bin mit meinem Leben
verheiratet. Mit meinen Gewohnheiten, auch mit meinen Träumen und Wünschen, mit
meinem Pech, mit meinen Glückssträhnen, sogar mit meinen Grundsätzen. Man kann
sich von allem trennen, von Besitz, von Titeln, von Freunden, von Frau und
Kind. Aber man kann sich von sich selbst nicht scheiden lassen. Niemals.«
    »Das klingt sehr logisch. Aber
für diese schöne Nacht viel zu ernsthaft.«
    »Ein Mann in meinem Alter ist
nicht sehr amüsant. Ich will nicht behaupten, daß ich ausgependelt bin. Ich
befinde mich noch in der Mauser, ich mache wahrscheinlich auch noch einige
Dummheiten. Aber ich mache die Dummheiten aus Unachtsamkeit. Ein Junger macht
sie mit Elan, das ist ein großer Unterschied.«
    Sie dachte mit ernstem Gesicht
über seine Worte nach. »Spielen Sie sich nur nicht als >Alter Mann und das
Meer< auf. Sagen Sie es frei heraus, daß ich Ihnen als Fisch nicht gefalle,
daß Sie sich vorhin, als Sie mich ansprachen, etwas anderes unter

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