Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
schreibt Philipp, dass er unten am Ausgang wartet. Also los. Den »langen Kerl« suchen.
Und da unten steht einer von der Sorte. Allerdings ziemlich dick eingepackt in einen langen schwarzen ÂFilzmantel, mit Wollmütze und in ultrabreiten Maschen gestricktem Langschal. Plus Turnschuhe. Der aus der Glasfront starrt. Ich laufe erst mal raus. Und schaue von auÃen. Er schaut zurück, durchs Glas. Er ist es. Und kommt raus. »Ick hab da mal unten jewartet, weeÃte«, sagt Philipp und baut sich vor mir auf. Ein langer Kerl ist er tatsächlich.
Wir laufen in die Innenstadt. Und obwohl ich als Fritz-Fan selbstverständlich schon öfter in Potsdam war, freue ich mich, dass er mir auf dem Weg noch mal NikolaiÂkirche, Altes Rathaus und Holländisches Viertel zeigt. Und als er mich schlieÃlich ins Café Heider am Nauener Tor führt, geht mir doch das Herz auf. Diese ganzen feinen Torten und Tartes und Kekse â Kaffeehaustradition seit 1878, herrlich. Da wusste damals schon der Hof, wo man am besten konditern geht.
»Ja, dann erzähl doch ma wat Schönes von dir«, sagt Philipp und sticht mit der Gabel in sein Florentiner Kranzstück. »Du musst mir erst mal erzählen, wo und was du spielst, das überleg ich schon die ganze Zeit«, fordere ich zurück. »Ne, ick erzähl nich so jern wat von mir, weeÃte«, sagt Philipp. »Schade«, sage ich, »wie wollen wir uns dann kennenlernen?« »Ick würd sagn, dass wir erst ma abwarten, wa«, sagt Philipp. »Ãh, ja, hm«, sage ich. Der Pianist macht auf piano. »Ick such wat Nettet, weeÃte«, sagt Philipp. »Ach«, sage ich. Damit er selbst es dann nicht sein muss? »Wie viele nette Antworten hast du denn auf deine Anzeige bekommen?«, frage ich ihn. »Och, een paar«, sagt Philipp.
Oh, Mann, das kann sich ziehen. Philipp sitzt mit verschränkten Armen über seinem schwarzen Pulli vor mir und mustert mich. Ich habe das Gefühl, dauerrot zu sein. Und immer wütender zu werden. Er könnte ja auch mal was fragen oder sagen oder überhaupt. Aber auf alle weiteren Fragen reagiert er wenig bis kaum. Wahrscheinlich mache ich den »Zu-viele-Fragen-stellen«-Fehler. Egal, Pech gehabt, ich will doch wissen, was für ein Mensch er ist. »Sag mal, Philipp, wie machst du denn das mit Freunden, wenn du mit ihnen unterwegs bist, redest du da auch so wenig?«, frage ich ihn. »Ick hab keene Freunde, auÃer eenen, aber der is schon über 50 und will och nich so viel reden«, sagt Philipp. Hm. Und wie das in der Kindheit gewesen sei? Da wolle er erst recht nicht drüber reden, sagt Philipp. Ich überlege, ob er so jedes Mal an ein Kennenlernen rangeht, und beschlieÃe, dass es nur an mir liegen kann, dass er keine Lust hat. Wahrscheinlich ist er zu höflich, mir nicht einfach zu sagen, dass er jetzt lieber wieder zurück an den Flügel würde. Dabei war er doch so direkt in seinen SMS?
Jedenfalls bin ich froh, als wir mit dem Kaffee durch sind und ich mich Richtung Hauptbahnhof verabschieden kann. Komischer Kerl, der Pianist.
Am Morgen danach, Philipp schreibt: »Liebe AlexÂandra. Du weiÃt, ich bin direkt. Würde gern mit dir Âschnaxeln ;-) Philipp.«
Lieber Philipp. Erstens: Nein, ich habe nicht nur jemanden für den Beischlaf gesucht. Und zweitens: Der Begriff »schnaxeln« geht gar nicht. Prinzipiell nicht. Und im Zusammenhang mit Sex erst recht nicht. »Er fickt, sie fickt, wir ficken â hätte er nicht einmal das Wort âºvögelnâ¹ benutzen können?« Sagt sogar Marcel Reich-Ranicki. Also. Und ein Zwinker-Smiley? Oh man. Ich dachte immer, Klavierspieler hätten Taktgefühl, weeÃte.
Schwierig, â¦
â¦Â wenn du dich beobachtet gefühlt hast.
â¦Â wenn er schlecht â oder gar nicht â riecht.
â¦Â wenn dir sein bester Freund auch ganz gut gefällt.
â¦Â wenn er Englisch spricht â obwohl er Deutscher ist.
â¦Â wenn er mehr von deinen Brüsten als von deiner Seele wissen will.
â¦Â wenn ihr schon beim Aufeinanderzulaufen merkt, dass es niemals nie nicht was werden kann â ihr aber beide zu höflich seid, um euch das zu sagen.
â¦Â wenn er beim ersten Treffen vom »Schnaxeln« oder Kinderkriegen spricht. Ich bin 21! Okay, 24. Plus zwei. Trotzdem.
Missions Impossible für alle
Uhrzeit: 20.21 Uhr, Ort: Eine
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