Mann mit Grill sucht Frau mit Kohle
gibt es rund um den Boxhagener Platz vermutlich 300 Bars, Restaurants, Kneipen und Hauseingänge mit Schankbetrieb. Die nächste Bar ist genau zwei Meter entfernt. Würde man der Länge nach hinfallen, säÃe man schon auf einem Barhocker. Doch Frau Loren möchte gerne ganz konspirativ im Auto bleiben: »Nu komm, jetzt rauchen wir erst mal eene zusammen.« Na gut, dann rauchen wir halt eene. Und noch eene. Und noch eene. Sie findet es ganz witzig, unser Date in der Räucherkammer. Will sie testen, wie lang ich das hier durchhalte?
Solange der Nebel noch licht ist, gucke ich sie mir etwas näher an. Für ihre 45 Jahre hat sie sich ziemlich gut gehalten. Als Anwerberin für die Stasi hätte sie sicher Karriere gemacht. Nur die Stimme ist etwas angeschlagen. Vermutlich vom vielen Rauchen. Wenn sie lacht, kommt kein »hihihihi«, sondern eher ein »hrhrhrhrhrhi«. Da haben die Zigaretten des Klassenfeindes in den letzten 20 Jahren wohl ihre Spuren hinterlassen.
Was ich denn so beruflich mache? »Ah, Jurist.«
»Und jefällt dir? Bringt viel Kohle ⦠hrhrhri.« Sie meint dann, sie könnte auch nicht jeden Job machen. »Ick könnt jetze nie ânem Kerl einen blasen, für 1000 Euro oder so.« »Ach, nicht?«, frage ich und spiele mit dem Hartgeld in meiner Hosentasche. Ãber die Verbindung zwischen Juristerei und Prostitution muss ich bei Gelegenheit wohl noch mal nachdenken. Sie lacht. »Och komm, jetzt rauch ma noch eene.«
Im Fiesta sind inzwischen die Scheiben beschlagen und es sieht aus wie in einem türkischen Dampfbad. Ich rette mich mal kurz ins Freie und hole uns bei »Ali Baba« vom Boxi-Kiosk zwei Bier. Zurück in ihrem Fiesta sieht es aus wie in dem Chuck-Norris-Film: »Mission Hölleninferno 4« oder so ähnlich. Es fehlt nicht viel und jemand ruft die Feuerwehr. Gut, dass Frau Stasi schon langsam nach Hause muss. Und gut, dass ich offenbar den Test bestanden habe. Das nächste Treffen wird bei ihr stattfinden. In einer konspirativen Wohnung in einem Berliner Ostbezirk.
Test 3: Geräuschfolter
Vier Tage später stehe ich mit einer Flasche Rotwein vor einer weiÃen Tür (mit Spion) in einem 50er-Jahre-Betonsilo in Berlin-Hohenschönhausen, zwölfter Stock. Nicht weit von hier befand sich auch das Stasi-Gefängnis. Frau Loren öffnet mir breit grinsend. Nein, nicht im Nachthemd oder im Bademantel, sondern ganz normal. Jeans, Pulli, es riecht nach Haarspray. Sie führt mich durch den Flur. »Drei Zimmer, 340 Euro warm«, erfahre ich, ohne gefragt zu haben. »Hrhrhrhrhrhri.« Das heiÃt vermutlich so viel wie: Bin zufrieden mit meiner Wohnung.
An der Wohnzimmertür hängt ein rot blinkendes Neonherz aus Plastik. Mir wird plötzlich ganz anders. Heimbordell!, schieÃt mir durch den Kopf. Wird hier vielleicht statt eines inoffiziellen Mitarbeiters jemand gesucht, der »IM« Bett in der Lage ist, nicht nur konspirative Berichte zu verfassen, sondern auch dafür zu bezahlen? Also eine Mischung aus Erich Mielke und ÂCharlie Sheen? Im Wohnzimmer mit Pflanzen, Terracotta-Wandfarbe und Eiffelturm-Poster nehmen wir auf der Couch Platz, und Frau Loren fängt an, von früher zu erzählen.
Davor zündet sie sich natürlich eine an.
»Meene drei Kinda kommen nächste Woche uff Besuch«, sagt sie und stöÃt eine Rauchwolke aus. »Ick bin ja in zweta Ehe jeschieden.« Diesmal ohne »hrhrhrhrhrhri«.
Das macht seit unserem letzten Treffen eine gescheiterte Ehe und zwei Kinder mehr, wenn ich richtig gerechnet habe. Wie schnell man sich doch vermehren kann! Na gut, egal, denke ich mir. Bevor sie in Selbstmitleid verfällt, tröste sie mal etwas, denke ich. »Scheidungen sind doch inzwischen ziemlich verbreitet«, sage ich im verständnisvollen Tonfall eines Pastorensohns. Roy Black tröstet mit. Aus dem Radio dudelt »Du bist nicht allein«.
Langsam fällt mir ein, dass es zwei Dinge gibt, vor denen ich mich bei Menschen, die älter als ich sind, fürchte: Erstens die Geschichten von früher und zweitens der Musikgeschmack. Frau Loren mag Radio Nostalgie & Schlager. Noch könnte ich ja gehen. Auch Bernhard Brink ruft mir bereits in weiser Voraussicht aus dem Radio zu: »Steig aus, wenn du kannst, hast du den Mu-u-t? Steig aus, wenn du kannst, das geht nicht gut.« Noch nicht, denke ich mir.
Wir öffnen den Wein. Ich
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