Mannerfreie Zone
nimmt ein Foto von Roseanne, Adrian und mir in die Hand und fragt: „Wer ist der Typ?“
„Adrian. Er ist schwul.“ Das sage ich absichtlich, damit Pete weiß, dass Roseanne nicht auf Adrian abfährt.
„Der ist nicht schwul“, sagt Todd und schüttelt den Kopf wie ein Idiot.
„Wie meinst du das?“
„Du hast diesen Schwindel geglaubt? Schwule Männer – vor denen muss man ja keine Angst haben!“ Er spricht jetzt mit hoher Stimme, mit der er wohl mich nachäffen will: „Lass uns nach Chelsea ziehen, Roseanne, hier ist es sicher. Hier können wir in unserer Unterwäsche rumlaufen – die sind doch alle schwul, denen ist das egal – wir können sogar nackt herumlaufen, spielt doch keine Rolle – sie sind schwul.“ Er springt auf und wackelt mit den Hüften.
„Du bist bescheuert. So spreche ich nicht und so laufe ich nicht.“
„Natürlich nicht, jedenfalls nicht vor mir, weil ich nie behauptet habe, dass ich schwul bin.“ Er deutet auf das Bild. „Aber dieser Typ, oh mein Gott, mit dem könntest du natürlich in einem Bett schlafen – er ist ja schwul. Vielleicht will er trotzdem Sex mit dir – macht ja nichts, wo er doch eigentlich schwul ist. Das ist das Geheimnis von New York. Den New Yorker Mythos, so nenne ich es.“
„Du scheinst da lange drüber nachgedacht zu haben. Das Geheimnis von schwulen Männern. Gott sei Dank bist du gekommen, um es aufzudecken.“
„Tja, Pete, stell dir mal all die scharfen Weiber vor, die wir haben könnten, wenn wir nur schwul wären!“
„Und wir könnten trotzdem Football gucken und Bier trinken“, antwortet Pete, zur Abwechslung ist er mal witzig.
„Vielleicht solltet ihr das heute Abend ausprobieren“, sagt Roseanne, die in bemerkenswert modischen und geschmackvollen Hosen und einer Bluse, die sie von mir hat, toll aussieht. Sie kommt mit dem Spinat-Dip herein. Ich probiere davon und gehe dann in mein Zimmer, um mich umzuziehen. Heute Abend werde ich das schwarze Kleid von Tabitha tragen, das sie mir zu den
Fashion Awards
geliehen hatte. Das hat bisher noch keiner an mir gesehen. Es ist vielleicht etwas zu schick für so eine Party, aber schließlich ist Silvester. Als ich zurück ins Wohnzimmer komme, sind Adam und Joe da. Wir küssen uns zur Begrüßung. Todd starrt mich an. Irgendwie wirkt er verlegen, er grinst mich etwas dümmlich an.
Ich hole Roseannes restlichen Köstlichkeiten aus der Küche, während sie auf dem Esstisch das Schokoladen-Fondue aufbaut. Adrian und Anthony bringen einen Freund mit. Adrian besteht darauf, dass er sich um die Musik kümmern wird – und den restlichen Abend über hören wir Marvin Gaye und andere Mowtown-Klassiker (er hat seine eigenen CDs mitgebracht). In der Küche ist kaum noch Platz für weiteren Alkohol. Als ich zurück ins Zimmer komme, fällt mir auf, dass außer meiner Mit-Gastgeberin nur Männer in der Wohnung sind.
„Ich hätte nie gedacht, dass die beiden kommen würden“, flüstert Roseanne mir zu und deutet auf zwei Typen aus ihrer Firma.
„Ro, wir sind die einzigen Frauen hier.“ Ich schnappe mir eine Erdbeere und tunke sie in das Fondue.
„Das ist doch in Ordnung, wir sollten es genießen, solange es geht. Einige der Besten hier sind sowieso schwul.“ Todd jedenfalls nicht, er gafft mich die ganze Zeit an. Sobald ich mich mal mit jemandem unterhalten will, fällt mir auf, dass irgendwo ein Glas leer ist, und ich beeile mich, es wieder zu füllen. Außerdem müssen wir immer wieder neues Essen herbeizaubern. Kristen taucht auf und hat drei Freundinnen im Schlepptau. Monica und Chuck sehen aus, als wären sie gerade auf einem Konzert von den
Greatful Dead
gewesen. Er hat seinen Gitarrenkoffer bei sich. Gütige Mutter Gottes!
Gegen elf ist die Wohnung überfüllt. Roseanne und ich haben eine Methode entwickelt, wie wir uns per Handzeichen verständigen können, wenn wir neue Getränke oder Essen brauchen. Ich hatte gar keine Zeit, festzustellen, dass ich langsam betrunken werde, aber mir fällt auf, dass Todd sich mit einer der munteren blonden Freundinnen von Kristen unterhält. Egal.
Inzwischen sind mindestens dreißig Leute hier. Ich sehe Schokoladensauce und zertretene Erdbeeren auf unserem Holzboden, aber darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen. Zusammen mit seiner CD-Kollektion hat Adrian auch einige farbige Discolichter mitgebracht. Inzwischen sieht es hier wirklich aus wie in einem Club, und ein paar Leute fangen an zu tanzen. Mist, jetzt wird es richtig laut! Ich
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