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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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frech werden«, sagte Hauptmann Stroy. In seiner Stimme lag Verachtung, ja fast Ekel. »Kommen Sie mit … an Ihrer Stelle würde ich mir ehrenvoll eine Kugel durch den Kopf schießen.«
    »Zu Befehl!« Heinrich Emanuel Schütze sah seinen Hauptmann mit starrem Blick an. »Aber ich habe für das Manöver nur Platzpatronen bei mir –«
    Die Kaiserin Auguste Viktoria war schon abgefahren. Mit ihr die Prinzessinen Pleß, die Leiblakaien, die Hofdamen, die Prinzessinnen von Sachsen.
    Die Manöverkritik der unteren Stäbe war abgeschlossen. Sie war für die Gruppe Rot saumäßig. Generalleutnant v. Surrenkamp nahm die allerhöchste Kritik mit unbewegtem Gesicht entgegen. Die Generalmajore und Obersten wußten bereits, was sie an ihre Offiziere weitergeben würden und wie lange das Ausgehverbot, die Urlaubssperre und das Strafexerzieren dauern würden.
    Umringt von Kriegsminister v. Falkenhayn, Generaloberst v. Moltke, General v. Scholl, den sächsischen und griechischen Majestäten und dem eleganten Erzherzog Franz Ferdinand wurde von Oberst v. Fehrenberg der kleine Fähnrich Schütze auf den Feldherrnhügel geführt. Sein rundes Gesicht war gerötet. Während der Oberst ritt, hatte er an der Seite des Pferdes mitlaufen müssen. »Sie haben doch solchen Schneid, nicht wahr?« hatte der Oberst gebrüllt, als Schütze keuchend und außer Atem einmal stehenblieb und sich den in Bächen über sein Gesicht ergießenden Schweiß abwischen wollte. »Zu schlapp, um zu laufen … aber den Kaiser besiegen wollte er, der Knabe!«
    Mit zitternden Beinen stand Heinrich Emanuel vor Kaiser Wilhelm II. Zum erstenmal sah er den Kaiser aus der Nähe. Der blanke Helm blendete ihn. Das hellgraue, ins Blaue schimmernde Tuch des langen Mantels, der bis zur Erde reichte, flimmerte vor seinen Augen. Und aus diesem Wirrwarr von Tuch und Helmglanz schälte sich ein kleines Gesicht mit stechenden Augen und einem nach oben gezwirbelten Schnurrbart, ein schmaler Mund und eine helle Stimme, die über ihn hinwegglitt wie ein seine Kopfhaut schabendes Stück Eis.
    »Der Fähnrich Schütze, Majestät!« meldete Oberst v. Fehrenberg. General v. Scholl betrachtete den mittelgroßen Soldaten mit dem schweißaufgeweichten Kindergesicht, den zitternden Knien und der mühsam gestrafften Haltung.
    Ein größenwahnsinniges Würstchen, dachte er und mußte fast lächeln. Man sollte ihn der Heerespsychiatrie überweisen. Vielleicht war er ein Beispiel verminderter Zurechnungsfähigkeit. Das wäre immerhin ein Argument, das auch Majestät verstehen und akzeptieren könnte.
    Der Kaiser sah auf den Fähnrich herab wie eine Bergkuppe auf einen dörflichen Misthaufen. Er ließ sich Zeit, ihn anzusprechen. Er musterte seinen ›Gegner‹ eindringlich, erst mit den Augen des Soldaten, dann mit dem Blick des Monarchen, schließlich mit dem Blinzeln des Menschen.
    »Sie also sind es«, sagte Wilhelm II.
    »Jawohl, Majestät!« keuchte Heinrich Emanuel Schütze.
    »Sie wollten mich besiegen?«
    »Nein, Majestät.«
    »Aber Sie haben doch …«
    »Jawohl, Majestät!«
    »Ja oder Nein?«
    »Ich … ich sah eine kleine Möglichkeit, Majestät …«
    »Warum lösten Sie Ihre Schützenlinie auf?«
    »Um den angreifenden Truppen weniger Ziele zu bieten und sie in Verwirrung zu bringen, Majestät …«
    Oberst v. Fehrenberg sah hilfesuchend auf General von Scholl. Ein Irrer, sagte sein Blick. Unzweifelhaft ein Irrer. Er wagt es, dem Kaiser Taktik beizubringen.
    Wilhelm II. legte sein Kinn eng an den Uniformkragen. Mit einem Seitenblick auf den verzweifelten v. Scholl und dem konsternierten Falkenhayn hob er die Hand und legte sie auf seinen Degenknauf.
    »Das ist gegen das Exerzierreglement.«
    »Jawohl, Majestät!«
    »Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    »Daß es Krieg sei, Majestät. Und in einem Krieg ist der Erfolg allein ausschlaggebend. Auf die Mittel kommt es nicht so sehr an …«
    »Danke.«
    Der Kaiser drehte sich herum, ließ Heinrich Emanuel Schütze stehen und begann eine Unterhaltung mit dem König von Sachsen. General v. Scholl winkte, als sollte Ungeziefer beseitigt werden.
    »Kommen Sie, Sie Idiot«, schnaufte Oberst v. Fehrenberg leise. »Das war das Letzte, was Sie sich geleistet haben. Ich werde Sie in eine Irrenanstalt bringen lassen.«
    Mehr rutschend als gehend verließ Heinrich Emanuel den Feldherrnhügel. Unten, auf dem Feld, sah er noch einmal zurück auf den Kaiser. Er sprach mit dem Erzherzog und lachte. Die Könige und Generale um ihn herum lachten

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