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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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befand sich der Soldat, L u ciens Gefolgsmann Ahira. Nicht einfach nur ein Soldat, sondern der schlimmste von allen. Ich hasste ihn noch mehr als jeden anderen. Ich war so zornig, dass die Ste r ne erzitterten und ich Blitze sah, obwohl keine Wolken da waren. Das war der Grund, warum ich es tat. Das war der Zeitpunkt, in dem ich die Entscheidung traf. Doch sogar in diesem Moment betete ich im Stillen: Bitte, lass mich das nicht tun.
    Ich legte das Gewehr an die Schulter. Ich richtete es auf den Kopf des Mannes. Er konnte mich nicht sehen, weil er auf der rechten Seite seines Gesichts kein Auge hatte und das die mir zugewandte Seite war. Noch immer wirkte alles wie hinter Glas erstarrt. Ich konnte nicht denken, aber das musste ich auch nicht.
    Ich schloss die Augen und drückte ab.
     
    Die Zeit blieb mit diesem Schuss stehen. »Lauf in die Kirche«, keuchte Ahira in diesem Moment. Dann stürzte er mit voller Wucht auf die Straße. In der Dunkelheit e i ner Seitengasse bewegte sich jemand.
    Das Pferd stürmte wieder los. Ohne Ahira, der sie festhielt, rutschte Anna nun ab. Die Mähne war ihr aus den Fingern geglitten. Sie versuchte, sich umzudrehen, um zu sehen, was passiert war, aber das Pferd galoppierte jetzt noch schneller. Als es um eine Ecke bog, wurde Anna abgeworfen.
    Sie lag plötzlich mit dem Rücken im Schlamm und starrte zu den Sternen hoch. Sie erkannte die englischen Konstellationen und war für eine Sekunde überrascht, sie hier zu sehen. Ihr Herz schlug so schnell, dass es wehtat, aber sie war nicht verletzt. Sie lag da und bekam nicht genügend Luft in ihre Lungen. Endlich setzte sie sich auf. Das Pferd war verschwunden.
    Sie konnte nur ein paar Straßen weiter unten das ku p pe l förmige Dach der Kirche erkennen. Sie stand auf und rannte los, aber ihre Beine waren kaum in der Lage, sie zu tragen. Talithas Folter ließ ihre Muskeln noch immer zittern, und obwohl sie so schnell rannte, wie sie konnte, kamen die Hufschläge von oben immer näher. Und die Schüsse!
    Anna kam an einer Ecke des Kirchplatzes heraus, fiel dort auf die Knie und kroch auf allen vieren in einen Hauseingang. Anschließend wagte sie nicht mehr, sich zu rühren. Sie kamen immer näher, waren jetzt schon in der Gasse über ihr. Ahira war erschossen worden, und sie konnten auch sie erschießen.
    Auf den Dächern konnten Heckenschützen lauern und Männer mit Maschinengewehren in diesen dunklen Hä u sern. Sie wusste es nicht. Sie ließ den Blick über den Platz wandern und fühlte sich plötzlich schwindelig; die Sterne, die über den Himmel zogen, sahen aus, als wü r den sie fallen.
    In diesem Moment, als sie in dem Eingang kauerte, dachte Anna nicht darüber nach, ob sie sterben würde. Sie dachte plötzlich über magische Fähigkeiten nach. Darüber, was Talitha gesagt hatte und was Ahira gesagt hatte. Glaub daran, dass die Kugeln ihr Ziel verfehlen werden. Es waren nur vierzig Schritte bis zur Kirchentür, und so weit konnte sie rennen. In dem dunklen Hausei n gang stand sie auf, schloss die Augen – und rannte hinaus auf den Platz.
    Jemand rief etwas, aber Anna drehte sich nicht um. Sie konnte Schüsse hören und ein seltsames Pfeifen in ihren Ohren und dumpfe Einschläge in die Mauern der Kirche vor ihr. Sie lief schneller. Vor ihr zersplitterte eines der Ohren der Pferdestatue, hinter ihr explodierte eine Ga s lampe. In einem Haus in der Nähe schrie ein Kind. Dann traf sie etwas an der Schläfe, und sie stolperte. Aber sie war im Inneren der Kirche. Anna fiel zu Boden und kroch zwischen zwei Kirchenbänke. Plötzlich war sie von Stille und Dunkelheit umgeben.
     
    Ich kam plötzlich wieder zu mir. Der Zorn fiel von mir ab. Mit einem Gewehr an meiner Schulter kauerte ich benommen und fröstelnd im Morast. Ahira lag reglos auf der Straße.
    Plötzlich bewegte er sich schwach und lag wieder still. In diesem Moment begriff ich es: Ich hatte ihn erscho s sen!
    Ich hörte auf zu atmen. Was anschließend geschah, weiß ich nicht mehr so genau.
    Mir kam der unsinnige Gedanke, dass er vielleicht gar nicht tot war. Ich stolperte zu der Leiche. Nein. Er war ganz bestimmt tot. Ich zitterte wie Espenlaub und übe r legte, ob ic h v ielleicht besessen war. Ob jemand anderes die Kontrolle über mich übernommen und mir befohlen hatte, diesen Schuss abzugeben. Nichts schien real zu sein. Ich setzte mich auf der Straße neben ihn und redete mir ein, dass es nur ein Traum wäre.
    An einem seiner Finger steckte ein Goldring, der auf

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