Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia
schwören kö n nen, dass ich »Leonard North« hörte.
»Hat er gerade meinen Namen gesagt?«, flüsterte ich und blieb auf halbem Weg zur Tür wie angewurzelt st e hen.
»Ist dein richtiger Name Leonard?«, fragte Maria ebenso leise zurück.
»Eigentlich ja.«
»Dann hat er. › Es war Leonard North. ‹ «
»Aber wer …« Ein lautes Klopfen an der Tür unte r brach mich. Ich ging hin und machte ohne nachzudenken auf.
Der Mann schien um die fünfzig zu sein; er hatte ein scharfkantiges Gesicht und trug eine Brille mit verspi e gelten Gläsern, die den ganzen Raum reflektierten. Ich sah Marias besorgtes Gesicht in ihnen und lächelte ihrem winzigen Spielbild idiotischerweise zu. Dann wurde mir klar, dass ich damit auch den Mann anlächelte. Er erw i derte mein Lächeln nicht. Stattdessen hielt er mir irgen d einen offiziellen Ausweis entgegen, den er dann, noch bevor ich erkennen konnte, was darauf stand, blitzschnell wieder einsteckte.
»Ethan Dark«, sagte er. »Schuldetektiv. Bist du Le o nard North?«
»Ja.«
»Bist du dir darüber im Klaren, dass du eigentlich in der Schule sein solltest?«
»Äh … ja, darüber bin ich mir im Klaren.«
»Warum bist du dann nicht dort?«
Ich erklärte ihm, was in der Woche davor passiert war.
»Du bist in Ohnmacht gefallen?«, fragte der Mann, so als würde ihn das nicht im Geringsten beeindrucken. Ich nickte. »Also, das war letzte Woche. Und du bist immer noch zu Hause?«
»Ich soll mich noch ausruhen. Es ist gefährlich, nach draußen zu gehen, solange das Stille Fieber grassiert.« Der Mann lächelte und zog dabei seine Oberlippe hoch wie ein zähnefletschender Hund, so als wäre ich eine ängstliche, alte Frau, und das gefiel mir nicht.
In diesem Moment begann Anselm, schrill zu schre i en. Maria versuchte, ihn zu beruhigen, und der Mann runzelte die Stirn. »Gesetzlich bin ich nicht verpflichtet, in der Schule zu sein«, informierte ich ihn mit lauter Stimme.
»Ich glaube, ich weiß besser als du, was das Gesetz diesbezüglich besagt.«
»Die meisten Fünfzehnjährigen gehen zur Arbeit. Die spüren Sie doch auch nicht auf, weil sie nicht in der Schule sind.«
»Sie zählen zum kleinen Kreis der Privilegierten, Mr. North. Sie sind offiziell als Militärkadett registriert. Wenn Sie es vorziehen, arbeiten zu gehen, dann klären Sie das mit den zuständigen Behörden. Wenn nicht, sind Sie verpflichtet, sich von acht Uhr dreißig bis fünfzehn Uhr dreißig in der Schule aufzuhalten, und das fünf Tage die Woche. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ist das eine Standardmaßnahme? Spüren Sie jeden auf, der zwei Wochen Schule versäumt hat?«
»Mr. North, ich bin nicht hier, um mit Ihnen zu disk u tieren. Ich habe wichtigere Dinge zu erledigen. Wenn Sie nächste Woche nicht in der Schule sind, werde ich Ihnen einen weiteren Besuch abstatten.«
»Wer hat Sie hierhergeschickt?«
»Ich sagte schon, dass ich nicht hier bin, um mit Ihnen zu diskutieren.«
»Könnte ich Ihren Ausweis bitte noch mal sehen?«
Doch er war bereits auf dem Weg die Treppe hinunter und ignorierte meine Aufforderung. Anselms Schreien verebbte zu einem leisen Quengeln und hörte dann ganz auf, so als wäre es die Präsenz des Schuldetektivs gew e sen, die ihn so aufgeregt hatte. Vielleicht war es so. Er besaß eine ziemlich aggressive Präsenz.
Ethan Dark drehte sich noch mal um und rief: »Du wirst Montagmorgen in der Schule sein, sonst sehen wir uns wieder. Ich vertraue darauf, dass du deine zukünftige Karriere als So ld at nicht gefährden willst.« Ich lehnte mich aus der Tür hinaus und zeigte seinem entschwi n denden Rücken und meiner zukünftigen Karriere als So l dat zwei ausgestreckte Finger.
Unten an der Haustür schob er sich an meiner Gro ß mutter vorbei, ohne langsamer zu werden, und sie sah fragend zu mir nach oben. Als sie die Wohnung erreicht hatte, nahm ich ihr die Einkäufe ab und machte die Tür hinter ihr zu.
»Wer war das?«, fragte sie und rieb sich dabei ihre Handfläche, in die der Griff des Korbs eingeschnitten ha t te.
»Ein Schuldetektiv.« Sie sah mich mit unverhohlener Sorge an, dann entdeckte sie Maria und Anselm.
»Hallo, Mrs. North.« Maria stand auf. »Ich bin Maria aus der Wohnung über Ihnen. Leo meinte, ich könnte vorbeikommen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
»Oh, nein, gar nicht …« Großmutters Blick haftete an Marias Morgenmantel.
»Ach ja, bitte entschuldigen Sie meinen Aufzug. Aber mein Baby hat sich auf meine einzige
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