Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia
saubere Kleidung übergeben und …«
»Ach so«, sagte Großmutter. »Aber das ist ja auch ganz egal. Es freut mich jedenfalls, dich kennen zu le r nen, Maria. Ich habe schon viel von dir gehört.« Sie reichte ihr die Hand, und Maria nahm sie, nachdem sie Anselms Gewicht etwas verlagert hatte. »Und was für ein bezauberndes Baby. Er sieht dir sehr ähnlich.«
»Ja, das sagen viele.«
Baby Anselm streckte Großmutter glucksend die kle i ne Hand entgegen, und sie lächelte.
»Darf ich ihn mal halten?«, bat sie.
»Natürlich.« Maria gab ihr das Baby. Anselm ruderte mit den Armen und Beinen, aber er fing nicht wieder an zu schreien.
»Also, was war das jetzt mit diesem Detektiv?«, fragte Großmutter, während sie das Baby wiegte.
»Der Mann war offensichtlich ein Schuldetektiv, und er hat gesagt, dass ich am Montag wieder in der Schule sein muss, sonst stattet er mir einen weiteren Besuch ab. Er war sehr beharrlich.«
»Er sah wütend aus. Du warst doch nicht unhöflich zu ihm, oder, Leo?« Ich öffnete den Mund, dann machte ich ihn wieder zu. Sie wandte sich an Maria. »War er es?«
»Nur da, wo es gerechtfertigt war.«
Großmutter lachte widerwillig. »Aber natürlich. Leo ist so respektlos. Ich weiß gar nicht, wie oft ich ihm das schon gesagt habe!« Dann wurde ihr Gesicht wieder ernst. »Aber wer hat diesen Mann geschickt? Erst gestern noch hat der Schuldirektor zu Stirling gesagt, dass es vö l lig in Ordnung ist, wenn du erst nächste Woche wiede r kommst. Bestimmt hat er nicht trotzdem diesen Detektiv hierherg e schickt. «
»Vielleicht war es Sergeant Markey«, sagte ich. »Du weißt, dass er Stirling und mich hasst.«
»Nun … Das könnte sein. Aber wir werden es sowieso nie erfahren.« Und damit sprachen wir nicht mehr da r über …
Am Samstagabend starrte ich zum Fenster hinaus, wä h rend Stirling auf dem Boden lag und versuchte, die Ze i tung zu lesen. »K-E-I … N-E. U-N … U-N-T.« Dort stand: › Keine Unterbrechung der Kämpfe an der Grenze ‹ , aber das sagte ich ihm nicht. Großmutter nähte noch mehr von diesen Quadraten, an denen ich sie schon zuvor hatte a r beiten sehen, als sie plötzlich aufstand und rief: »Oh, das habe ich ja ganz vergessen!«
»Was hast du vergessen?«, fragte Stirling, aber sie war schon aus dem Zimmer.
»Sie ist fast so schlimm wie du«, teilte ich ihm mit.
Großmutter kam zurück und berührte meine Schulter. »Was ist?«, fragte ich und sah dann, dass sie mir ein Buch entgegenhielt – das seltsame schwarze Buch, das ich gefunden hatte.
»Es ist deins«, sagte sie. »Es tut mir leid, dass ich es genommen habe, aber ich habe es auf dem Fensterbrett gefunden.«
Ich hatte überhaupt nicht mehr an das Buch gedacht, bis ich es jetzt in ihrer Hand sah. »Hast du es gelesen?«, fragte ich.
»Nein. Ich hatte es vor, aber dann habe ich meine Meinung geändert.« Ich sah zu ihr hoch und erkannte, dass sie die Wahrheit sagte. Aber Großmutter log sowi e so nie. »Es wäre nicht recht gewesen, es zu lesen. Ich wus s te, dass es dir gehört.«
Ich war überrascht. Ich hatte immer gedacht, dass sie mir nicht vertraute. Ich nahm es wortlos entgegen und steckte es in die Tasche.
Sie tätschelte kurz meine Schulter, und ich schenkte ihr ein schnelles Lächeln. »Es tut mir leid, dass ich es genommen habe«, wiederholte sie.
In dieser Nacht sah ich die Seiten durch, um festz u stellen, ob mehr darin stand. Das war nicht der Fall.
Stirling wollte wissen, was es war, und ich sagte es ihm. »Es ist wie in einem Märchen«, überlegte er. »Ein magisches Buch zu finden, meine ich. Aber nur, solange es keine böse Magie in sich birgt.«
»Nein. Ich glaube, das tut es nicht.«
Aber wie konnte ich mir sicher sein? Ich verstaute das Buch am Boden der Truhe unter der Fensterbank. Es w ä re besser gewesen, es unter mein Kissen zu legen, aber i r gendwie hatte ich das Gefühl, als ob es gefährlich sein könnte, es so nah an meinem Kopf zu haben.
Die Sterne funkelten hell in dieser Nacht. Ich stand am Fenster und betrachtete sie, während ich darüber nac h dachte, wer wohl Eintragungen in dieses Buch gemacht hatte. Stirling konnte kaum seinen eigenen Namen kri t zeln, und auch Großmutter schrieb nur mit Mühe. Aber wer dann? Vielleicht würde ich es herausfinden, doch ich fing langsam an, daran zu zweifeln. Es war einfach eins dieser unerklärlichen Dinge, mehr nicht.
Ich hielt nach dem Stern namens Leo Ausschau, von dem ich nie gewusst hatte, wo am Himmel
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