Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
Vom Netzwerk:
er sich b e fand. Es konnte irgendeiner unter den vielen Tausenden sein; es war also sinnlos, nach ihm zu suchen. Aber trotzdem tat ich es, und zwar ziemlich oft. Da gab es e i nen, von dem ich dachte, dass er es sein könnte – einer der blassesten in der Mitte. Aber genauso gut war es möglich, dass man ihn von hier aus gar nicht sehen kon n te. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie machte es mich immer traurig, nicht zu wissen, welcher Stern Leo war. Später beim Einschlafen rätselte ich noch immer.
     
    Als ich am Sonntag aufwachte, hatten die Sonnenstrahlen bereits meine Bettdecke erreicht. Ich stand sofort auf. Ein lautes Krachen auf den Dielen ließ mich zusammenfa h ren; etwas war auf den Boden gefallen. Ich sah nach u n ten und erkannte, dass es das Buch war.
    Ich starrte es an, dann schaute ich zur Kommode am Fensterbrett. Ich wusste, dass ich es am Abend zuvor u n ter meine Kleidung gelegt hatte, und hatte es seitdem nicht mehr berührt. Darauf hätte ich mein Leben verwe t tet.
    Stirling würde sich erinnern. Er hatte mir dabei zug e sehen. Ich ließ das Buch, wo es war und ging – vorsichtig darauf achtend, ihm nicht zu nahe zu kommen – rüber ins Wohnzimmer, um Stirling zu holen.
    Auf dem Tisch lag die Zeitung vom Freitag, auf die meine Großmutter in ihrer zittrigen Handschrift › Sind in der Kirche ‹ gemalt hatte. Also war es bereits nach zehn. Ihre Nachricht zog sich unbekümmert über das gezeic h nete Gesicht von Luciens Ratgeber Ahira. Er ließ sich wegen der langen Narbe, die seine rechte Gesichtshälfte verunzierte, immer von links skizzieren. Unter dem Bild verkündete die Schlagzeile: »Rückzug ist keine Kapitul a tion.« Der Krieg lief also nicht gut, auch wenn es schwi e rig war, das anhand der Zeitung zu beurteilen.
    Ich ging zurück ins Schlafzimmer und sah skeptisch auf das Buch hinab. Es war aufgeschlagen und mit dem Buchrücken nach oben gelandet, sodass ein paar der Se i ten gegen den Boden gefaltet waren. Als ich es aufhob, zwängten die umgeknickten Seiten es auseinander, und ich erkannte auf den ersten Blick, dass der zerknitterte, beschriebene Teil jetzt länger war. Es war wieder hinei n geschrieben worden!
    Ich setzte mich auf die Fensterbank und suchte die Stelle, an der der frühere Eintrag geendet hatte. Es war sehr seltsam. Der Text brach in der Mitte einer Seite ab, und die nächste war unbeschrieben. Es folgten noch me h rere leere Seiten, und ich blätterte weiter, bis ich den A n fang des nächsten Eintrags fand.
     
    »Field«, sagte Raymond eines Tages. Der Butler war i n zwischen seit mehreren Monaten bei ihm. »Würden Sie mich ans Meer fahren? Ich bin schon so lange nicht mehr dort gewesen und dachte, wir könnten einen Ausflug dorthin machen.«
    »Ans Meer?« Der Butler nickte nach kurzem Zögern. »Selbstverständlich, Sir. Ich werde sofort den Wagen bereitmachen. An irgendeinen bestimmten Ort?«
    »An den Greysands Beach«, erwiderte Raymond. »Es ist nicht weit.«
    Es war der Beginn der Urlaubssaison. Sie fuhren zu der kleinen Insel hinaus. Auf dem Boot, das mit einem traurigen Brummen über das weite, dunkle Meer schi p perte, waren sie die einzigen Passagiere.
    »Wollten Sie aus einem bestimmten Grund hierhe r kommen?«, fragte der Butler, während sie über den Ki e selstrand spazierten, der um die Insel herumlief. Die Sonne war herausgekommen, und der erste Frühling lag in der Luft. Ein paar gierige Möwen zogen kreischend und flügelschlagend über ihnen ihre Kreise.
    »Als junger Mann war ich oft hier«, erklärte Ra y mond. »Z us ammen mit meinem besten Freund. Wir sind stundenlang um diese Insel herumgelaufen.«
    Der Butler aß Pommes frites. Nachlässig warf er eine in das ölige Wasser und beobachtete, wie die Möwen schreiend darum kämpften. »Was ist mit diesem Freund geschehen, ist er fortgegangen?«
    Raymond setzte sich auf einen Stein und lehnte sich den Gehstock gegen das Knie. Er sah sinnierend auf den geschnitzten Knauf hinunter. »Er ist fortgegangen, ja. Er trat in die Armee ein und zog in den Krieg. Sie hätten die Orden sehen müssen, die er bekommen hat! Sie haben sie mir zugeschickt, nachdem er gestorben war. Sie sind n a türlich nicht Teil meiner Sammlung. Ich bewahre sie in einer Kiste irgendwo auf dem Speicher auf.« Raymond sah nun hoch. Es fiel ihm schwer, die Reaktion des Bu t lers an dessen Miene abzulesen. »Möglicherweise lan g weile ich Sie …? «
    »Nein, nein. Ganz im Gegenteil.« Der Butler runzelte leicht die

Weitere Kostenlose Bücher