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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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habe«, meinte Stirling. »Ich weiß nur, dass es im Winter ist.«
    »Am zwölften November«, informierte ich ihn.
    »Hattest du ein Fest?«, fragte Maria. Stirling schüttelte den Kopf. »Warum nicht?«
    »Ich weiß nicht.« Offensichtlich verwirrt drehte er sich zu mir um. »Ich hatte noch nie ein Geburtstagsfest, oder, Leo?«
    Ich überlegte kurz. Vielleicht hatte es ein Feier an se i nem ersten Geburtstag gegeben, als Mutter und Vater noch hier waren – ich konnte mich nicht erinnern. »Ich glaube nicht.«
    Maria wollte das nicht glauben. »Ich hatte immer ein Geburtstagsfeier, als ich ein kleines Mädchen war. Du musst irgendwann mal eine gehabt haben, Stirling. Da bin ich mir ganz sicher.«
    Er schüttelte den Kopf. »Aber wir werden bei meiner Erstkommunion feiern.«
    »Trotzdem ist es eine Schande! Warum holen wir es nicht einfach nach?«
    »Wir könnten ein Picknick machen«, schlug Stirling plötzlich vor. »Ich, du, Leo und Anselm. Ich wollte das immer schon mal machen.«
    »Warum nicht?«, meinte Maria.
    »Warum nicht?«, wiederholte Stirling. »Lasst uns ein Picknick machen.«
    Sie saßen nebeneinander auf dem Sofa – Stirlings Fi n ger noch immer in der Hand des Babys – und begannen, Pläne zu schmieden.
    »Lasst uns nächsten Samstag gehen«, schlug Maria vor. »Es ist der letzte Tag im Juni.«
    »Wirklich Sommer«, sagte Stirling mit einem seh n süchtigen Seufzen.
    Es stimmte. Er war ganz unbemerkt gekommen, wä h rend wir noch immer dachten, dass wir Jacken anhätten, das Feuer anzündeten und uns über die Kälte beklagten. Ich sah durch das Fenster auf die sonnenbeschienenen Dächer auf der anderen Straßenseite.
    »Leo?«, fragte Maria jetzt. »Wohin sollen wir gehen? Irgendwohin, wo es hübsch ist, so etwas wie ein Garten.«
    Ich drehte mich wieder zu ihnen um. »Wo soll man denn in dieser Stadt ein Picknick machen?«
    »Es muss etwas geben. Komm schon, Leo! Es ist eine ausgezeichnete Idee.«
    »Das bestreite ich ja gar nicht. Ich frage nur, wo? Das Einzige, was mir einfällt, ist der Friedhof.«
    »Das ist kein Platz für ein Picknick!«, protestierte M a ria.
    »Für die Würmer schon.«
    »Leo, hör auf!«, rief Stirling.
    »Du machst ihm Angst«, sagte Maria. Sie dachte kurz nach. »Es ist schade, dass wir nicht in die Königlichen Gärten gehen können. Ich habe gehört, dass sie wunde r schön sein sollen. Früher durften die Menschen dort hi n ein.«
    »Wir könnten über das Tor klettern«, schlug ich im Spaß vor.
    »Mit Anselm?« Sie schüttelte lachend den Kopf.
    »Die Östlichen Berge!«, sagte Stirling plötzlich. »Das ist ein hübscher Ort für ein Picknick.«
    Großmutter lehnte sich in die Tür und rief: »Leo, Sti r ling, würdet ihr bitte den Tisch decken?«
    »Die Östlichen Berge klingt gut«, meinte Maria. »Ich finde, wir sollten es machen.«
    »Aber warum?«, fragte ich. »Warum diese plötzliche Idee, ein Picknick zu veranstalten?«
    »Weil es Spaß macht, Leo.« Marias Tonfall klang, als wäre das offensichtlich.
    Stirling trug die Teller aus der Küche. Ich nahm Großmutters Näharbeit und die Zeitung vom Tisch und legte beides neben Maria aufs Sofa. Sie betrachtete einen Moment das Bild von Ahira und drehte die Zeitung dann um.
    »Warum hast du das getan?«, erkundigte ich mich.
    »Ich hasse ihn«, zischte sie leise – und auf ihrem Arm hatten sich die Härchen aufgestellt, als ob ihr kalt wäre.
    »Ich hasse ihn auch.«
    »Und wenn du hundert Jahre leben würdest, Leo … Ich glaube nicht, dass du ihn jemals so hassen könntest wie ich!«
    Ich traute mich nicht, nach dem Grund zu fragen. Im nächsten Augenblick zuckte sie lächelnd mit den Schu l tern, und wir gingen rüber zum Tisch.
     
    Ich ging am Montag wieder nicht zur Schule. Als Gro ß mutter Stirling zum Abschied winkte, erkannte ich an ihren angespannten Mundwinkeln, dass sie besorgt war, aber sie erwähnte den Mann von der Schulbehörde g e nauso wenig wie ich. Mit Stirling in der Schule und Großmutter auf dem Markt war es an diesem Morgen sehr still in der Wohnung. Ich las noch einmal das Buch, legte es dann weg und wanderte von Zimmer zu Zi m mer.
    Ich hatte gehofft, dass Maria klingeln würde, aber ich konnte den ganzen Morgen über Anselms Geheul die Treppe herunterdriften hören. Als ich Maria später im Hof begegnete, versuchte sie noch immer, das schreiende Baby in ihren Armen zu beruhigen.
    »Er hört einfach nicht auf zu weinen.« Sie schien selbst den Tränen nahe zu sein. »Ich wollte

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