Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia
die Knie; Maria ließ den Korb fallen und folgte meinem Beispiel. Mein Bruder war völlig weggetreten.
Sergeant Markey kniete sich neben mich. Er drehte Stirling um und legte ihm die Hand auf die Stirn. »Er hat hohes Fieber! Ihr müsst ihn schnell nach Hause bringen. Das hier sieht aus, als wäre es etwas Ernstes.« In diesem Moment kam Stirling wieder zu sich. Er starrte Sergeant Markey an, dessen Hand noch immer auf seiner Stirn lag.
»Du bist ohnmächtig geworden«, sagte ich.
»Oh …« , flüsterte er benommen.
Ich wartete darauf, dass die Farbe in sein Gesicht z u rückkehrte. »Kannst du dich aufsetzen?« Ich legte ihm den Arm um die Schultern und zog ihn in eine sitzende Position, während Maria ihn von der anderen Seite stüt z te. Wir lehnten ihn gegen die Mauer. Da bemerkte ich, dass Sergeant Markey gegangen war. Das sah ihm mal wieder ähnlich, es war wirklich typisch für ihn.
Ich fühlte Stirlings Stirn. Wie Dampf stieg die Hitze von ihr auf.
»Er kann so nicht heimgehen«, sagte Maria. »Das schafft er nicht.«
»Gib ihm eine Minute. In einer Minute geht ’ s ihm besser.« Ich wandte mich ihm zu. »Stirling, meinst du, du kannst nach Hause laufen?« Er antwortete nicht. »Sti r ling, hörst du mich?« Ich wischte mit der Hand vor se i nen geöffneten Augen vorbei. »Stirling?« Er schien es nicht wahrzunehmen.
»Wie soll er bloß heimkommen?«, fragte Maria.
»Tja, irgendwie muss er wohl. Im Notfall werde ich ihn tragen.«
»Den ganzen Weg?«
»Ich mache dieses ganze Gewichtheben in der Schule schließlich nicht umsonst.«
»Trotzdem ist es zu weit.«
Jemand berührte meine Schulter, und ich erkannte, dass es Sergeant Markey war, der mir ein Glas Wasser reichte.
»Hier, gib ihm das«, sagte er. Also deshalb war er weggegangen.
Stirling trank ein wenig und schien nun zuzuhören, als ich mit ihm sprach. »Wirst du nach Hause laufen kö n nen?«, fragte ich noch mal.
»Ich weiß nicht«, murmelte er nach einer kurzen Pa u se. »Aber ich … ich glaube schon.«
»Nehmt meine Kutsche«, bot Sergeant Markey an.
»Wie bitte, Sir?«
»Er kann in diesem Zustand nicht heimlaufen. Nehmt die Kutsche. Ich kann warten, bis sie zurück ist.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob man unsere Straße mit e i ner Kutsche erreichen kann«, erwiderte ich, ohne ihn a n zusehen.
»Der Kutscher kann euch zumindest so weit bringen wie möglich. Wo wohnt ihr?«
»In der Zitadellstraße.«
»Ah.« Er klang, als hätte ich gerade »in der Kanalis a tion« gesagt. Oder vielleicht bildete ich es mir auch nur ein. »Wenn er euch zum Kirchplatz fährt, könnt ihr es von dort aus nach oben schaffen?«
Ich konnte nicht klar denken. »Vielleicht«, sagte ich und tupfte Stirlings feuchte Stirn mit meinem Jackenä r mel ab.
»Ich denke schon«, meinte Sergeant Markey. »Je eher ihr ihn nach Hause zurückbringt, desto besser.«
Er bückte sich, hob Stirling hoch und trug ihn mit schnellen Schritten hinüber zu der Kutsche. Stirlings ba n dagierte Hand fiel schlaff über Sergeant Markeys R ü cken. Wir eilten hinter ihnen her. »Steigt ein«, sagte Se r geant Markey, während er Stirling auf einen der Sitze legte.
Als wir uns setzten, lächelte ich Stirling an, um ihn zu beruhigen.
»Fahren Sie sie bitte so nah wie möglich an die Zit a dellstraße heran«, wies Markey den Kutscher an. »Ich bezahle Sie, wenn Sie zurückkehren.«
»Ja, Sir.« Der Mann ließ die Zügel schnalzen, und die Pferde setzten sich in Bewegung.
Ich hatte nicht erwartet, dass Sergeant Markey den Kutscher bezahlen würde. Ich wollte nicht in seiner Schuld stehen, aber das ließ sich jetzt nicht ändern.
»Ist so weit alles in Ordnung, Stirling?«, fragte ich. Er nickte, was ihm große Mühe zu bereiten schien. »Wir sind noch nie mit einer Kutsche gefahren, stimmt ’ s?« Ich ve r suchte, meine Stimme normal klingen zu lassen. Er schüttelte den Kopf und brachte ein schwaches Lächeln zustande.
»Wir hatten früher eine eigene Kutsche«, erzählte M a ria. »Aber wir haben sie nicht oft benutzt, außer, wenn wir aus der Stadt rausgefahren sind. Ich hatte auch ein Pony, aber das ist schon lange her.« Sie streckte den Arm aus und berührte die Hand meines Bruders. »Wir sind fast zu Hause, Stirling.«
Sein Kopf sackte auf den Sitz. Ich wechselte auf seine Seite rüber. »Hier, leg deinen Kopf auf meinen Schoß«, sagte ich zu ihm. Maria half ihm, sodass er sich gegen mich lehnen konnte. Dann fing er an zu zittern, und sie breitete ihr
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