Mansfield Park
Haus verlassen hatte. Doch als sie sich davon überzeugt hatte, daß er gegangen war, konnte sie gar nicht rasch genug zu ihrem Onkel hinunterlaufen, um ihre Freude mit ihm zu teilen und seinen Erklärungen und Mutmaßungen zu lauschen, was jetzt mit William geschehen würde. Sir Thomas freute sich so herzlich, wie sie es nur wünschen konnte, und war sehr freundlich und mitteilsam. Er plauderte so gemütlich mit ihr, daß sie beinahe nicht mehr an ihr ärgerliches Erlebnis dachte, bis sie beiläufig erfuhr, daß Mr. Crawford für heute abend zum Essen eingeladen war. Diese Nachricht kam ihr höchst unwillkommen. Er dachte wahrscheinlich schon nicht mehr an das, was zwischen ihnen vorgefallen war, aber ihr würde es sehr peinlich sein, ihn so bald danach wiederzusehen.
Sie bemühte sich redlich, dieses Gefühl zu überwinden. Je näher die Essensstunde rückte, desto größere Mühe gab sie sich, ganz wie sonst zu sein und zu scheinen – aber das hinderte sie nicht daran, höchst schüchtern und unglücklich auszusehen, als der Gast eintrat. Sie hätte niemals geglaubt, daß es an dem Tage, der ihr die beglückende Nachricht von Williams Beförderung brachte, überhaupt etwas geben könnte, was sie so unglücklich machte.
Mr. Crawford trat nicht nur ins Zimmer, er trat auch sogleich an sie heran; er hatte ihr ein Briefchen seiner Schwester zu überbringen. Fanny war nicht imstande, ihn anzusehen, doch seiner Stimme war keine Verlegenheit über seine frühere Narrheit anzuhören. Froh, daß sie etwas zu tun fand, öffnete sie sogleich den Brief und fühlte sich erleichtert, daß die Unruhe, die ihre Tante Norris wie gewöhnlich verbreitete, die Blicke der anderen von ihr ablenkte, während sie folgendes las:
«Meine liebste Fanny, denn so darf ich Sie von jetzt an immer nennen, zur unbeschreiblichen Erleichterung einer Zunge, die seit Wochen über das förmliche ‹Miss Price› stolpert – ich kann meinen Bruder nicht zu Ihnen gehen lassen, ohne Ihnen die herzlichsten Glückwünsche zu senden und hochbeglückt meine Einwilligung und Billigung zu geben. Nur weiter, meine liebste Fanny, fürchten Sie nichts. Es kann keine nennenswerten Hindernisse geben. Ich bilde mir gern ein, daß die Beteuerung meiner großen Freude Ihnen auch etwas bedeuten wird. Sie dürfen ihm also heute ihr lieblichstes Lächeln schenken und ihn noch beglückter zu mir zurückschicken, als er jetzt zu Ihnen geht.
In Liebe Ihre M.C.»
Dieser Erguß war nicht dazu angetan, Fanny zu beruhigen. Obwohl ihre Hast und Verwirrung beim Lesen derart groß war, daß sie den Sinn von Mary Crawfords Brief nur ungenau erfaßte, war es dennoch augenfällig: sie wünschte ihr zu der Zuneigung ihres Bruders Glück und suchte sich sogar den Anschein zu geben, als nähme sie das Ganze ernst. Fanny wußte nicht, was sie tun oder denken sollte. Daß er es ernst meinen könnte, war eine furchtbare Vorstellung – es war schlimm, wie sie es auch betrachtete. Sie war verzweifelt, wenn Mr. Crawford sie anredete, und er redete sie viel zu oft an. Es dünkte sie auch tatsächlich, daß etwas ganz Eigenes in seinem Ton und seinem Benehmen lag, wenn er mit ihr sprach. Beim Nachtessen fühlte sie sich höchst unbehaglich und brachte kaum einen Bissen hinunter; und als Sir Thomas gutmütig bemerkte, die Freude hätte ihr den Appetit verdorben, wäre sie am liebsten in die Erde versunken. Wie mochte Mr. Crawford diese Worte deuten! Denn obwohl nichts in der Welt sie dazu verleitet hätte, einen Blick nach rechts zu werfen, wo er saß, spürte sie doch, wie er augenblicklich zu ihr hinsah.
Sie war noch schweigsamer als sonst und wollte sich nicht einmal an dem Gespräch über William beteiligen, denn auch seine Beförderung hing mit dem Gast zu ihrer Rechten zusammen, und das war schmerzlich.
Sie fand, daß Lady Bertram heute besonders lange bei Tisch saß, und begann schon zu verzweifeln; endlich gingen sie aber doch in den Salon, und sie konnte sich ihren Gedanken hingeben, während die Tanten auf ihre Fasson Williams Beförderung beredeten.
Mrs. Norris schien sich vor allem über die Ersparnis zu freuen, die es für Sir Thomas bedeutete: Jetzt würde William sich doch endlich selbst erhalten, was für seinen Onkel stark ins Gewicht falle, denn niemand wisse, wieviel Geld er seinen Onkel gekostet hatte; und schließlich würde auch sie ihm nicht mehr so große Geschenke machen müssen; sie sei sehr froh, daß sie William zum Abschied eine gewisse Summe gegeben habe,
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