Mansfield Park
bestimmt auf dasselbe herausgekommen, ob du dich im Park herumdrehst oder bis zu meinem Haus gehst.»
«Ich selbst habe Fanny die Kieswege im Boskett empfohlen, wo es jetzt am trockensten ist», sagte Sir Thomas.
Mrs. Norris war einen Augenblick lang betroffen. «Oh – das war sehr gütig von Ihnen, Sir Thomas. Aber Sie wissen nicht, wie trocken der Weg zu meinem Haus ist. Ich versichere Ihnen, Fanny hätte dort genausogut spazierengehen können und sich dabei wenigstens etwas nützlich gemacht und ihrer Tante einen Gefallen erwiesen. Es ist einzig Fannys Fehler. Wenn sie uns nur gesagt hätte, daß sie ausgeht – aber Fanny hat das an sich, ich habe es schon oft beobachtet: sie geht gern ihre eigenen Wege, sie will sich nichts vorschreiben lassen. Sowie es nur möglich ist, läuft sie nach eigenem Gefallen herum. Sie neigt zweifellos zu Geheimnistuerei und Aufsässigkeit und derlei Ungehörigkeiten, und ich möchte ihr ernsthaft raten, sich in diesem Punkt zu bessern.»
Als allgemeines Urteil über Fanny fand Sir Thomas dies höchlich ungerecht, obwohl er erst vor wenigen Stunden ähnlichen Gefühlen Ausdruck gegeben hatte. Er versuchte, das Gespräch auf etwas anderes zu bringen, und mußte es mehr als einmal versuchen, ehe es gelang. Mrs. Norris war nicht scharfsichtig genug, um bei dieser oder einer anderen Gelegenheit zu merken, wie gern er Fanny hatte und wie wenig es ihm gefiel, sie gegen seine eigenen Kinder herabgesetzt zu sehen. Sie machte die halbe Mahlzeit lang weiter gehässige Bemerkungen über diesen unverzeihlichen Spaziergang.
Endlich ging auch das zu Ende, und Fanny begann den Abend mit größerer Fassung und fröhlicherem Mut, als sie es nach dem stürmischen Vormittag für möglich gehalten hätte. Doch sie hatte das sichere Gefühl, daß sie richtig handelte und daß ihr Urteil sie nicht trog; für die Reinheit ihrer Absichten konnte sie einstehen. Auch hoffte sie heimlich, daß der Zorn ihres Onkels, der schon jetzt nachzulassen schien, sich gänzlich legen würde, sobald er die Angelegenheit mit größerer Objektivität betrachtete und erst richtig bedachte – wie ein so guter Mensch nicht anders denken konnte – wie schlimm, wie unentschuldbar, wie aussichtslos und sündhaft es wäre, ohne Liebe zu heiraten.
Wenn die Begegnung, die ihr morgen noch bevorstand, glücklich vorüber war, würde die Sache erledigt sein – das war ein tröstlicher Gedanke; und wenn Mr. Crawford daraufhin abreiste, würde alles wieder sein, als ob nichts vorgefallen wäre. Sie wollte und konnte nicht glauben, daß Mr. Crawford lange unter seiner unglücklichen Liebe leiden würde – das lag nicht in seiner Natur. In London würde er sich bald selber über seine Verliebtheit wundern und noch dankbar sein, daß ihr richtiges Gefühl ihn vor allen üblen Folgen bewahrt hatte.
Während Fanny sich solchen und ähnlichen Hoffnungen hingab, wurde ihr Onkel bald nach dem Tee hinausgerufen. Das war ein so alltäglicher Vorfall, daß es ihr nicht auffiel, und sie dachte schon nicht mehr daran, als der Butler zehn Minuten später eintrat und, geradewegs auf sie zugehend, verkündete: «Sir Thomas wünscht Sie in seinem Zimmer zu sprechen, Fräulein.» Erst da fiel es ihr ein, was das bedeuten könnte, und das Blut wich aus ihren Wangen. Sie erhob sich jedoch augenblicklich, um dem Befehl zu gehorchen, als Mrs. Norris ausrief:
«Halt, Fanny, was fällt dir denn ein? Wohin willst du? Beeile dich nicht so! Dich braucht man bestimmt nicht, verlaß dich auf mich! (Mit einem Blick auf den Butler.) Aber du mußt dich natürlich immer gleich vordrängen. Wozu sollte Sir Thomas dich brauchen? Sie meinen sicher mich, Baddeley. Ich komme schon. Sie meinen doch mich, Baddeley, nicht wahr? Sir Thomas möchte mich sprechen, nicht Miss Price.»
Doch Baddeley blieb fest. «Pardon, gnädige Frau, Miss Price wird gewünscht. Sir Thomas wünscht Miss Price zu sprechen.» Und er gestattete sich die Andeutung eines Lächelns, das deutlich besagte: «Ich glaube nicht, meine Gute, daß du für diesen Zweck die Richtige wärest!»
Mrs. Norris sah sich zu ihrem Mißfallen gezwungen, ihre Arbeit wieder aufzunehmen – und Fanny, die in größter Aufregung und Verwirrung dem Butler folgte, stand im nächsten Moment, wie sie es erwartet hatte, allein Mister Crawford gegenüber.
33. Kapitel
Die Unterredung gestaltete sich weder so kurz noch so schlüssig, wie die junge Dame es geplant hatte. Ihr Verehrer ließ sich nicht so leicht
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