Mansfield Park
und die beiden Herren trennten sich als die besten Freunde.
In der Überzeugung, daß die Sache jetzt auf dem schicklichsten und aussichtsreichsten Wege sei, beschloß Sir Thomas, sich seiner Nichte gegenüber jedes weiteren Zuredens zu enthalten und nicht offen in den Gang der Dinge einzugreifen. Er glaubte, daß bei ihr mit ruhiger Freundlichkeit am meisten zu erreichen wäre. Das Zureden sollte nur von einer Seite aus erfolgen. Die Nichteinmischung der Familie, über deren Standpunkt Fanny nicht im Zweifel sein konnte, würde sich vielleicht als das beste Mittel erweisen, die Sache zu fördern. Diesen Überlegungen entsprechend, nahm Sir Thomas die erste Gelegenheit wahr, um mit mildem Ernst, von dem er sich die größte Wirkung auf Fanny versprach, zu ihr zu sagen: «Nun, Fanny, Mr. Crawford hat mich wieder besucht, und ich habe von ihm gehört, wie es zwischen euch steht. Er ist wirklich ein ganz ungewöhnlicher junger Mensch, und wie immer die Sache ausgehen wird, fühlst du wohl, daß du eine nicht alltägliche Zuneigung errungen hast. Bei deiner Jugend kannst du kaum wissen, wie flüchtig und schwankend das Gefühl ist, das man gemeinhin Liebe nennt, und darum siehst du auch nicht wie ich, wie wunderbar eine solche Beständigkeit ist, die sich durch nichts entmutigen läßt. Bei ihm ist das alles Gefühlssache; er rechnet sich seine Treue nicht als Verdienst an, und vielleicht ist sie es auch nicht. Doch da er so gut gewählt hat, kann ich seine Beharrlichkeit nur ehren. Wäre seine Wahl nicht so einwandfrei, würde ich seine Hartnäckigkeit mißbilligen.»
«Ach, Onkel», sagte Fanny, «es tut mir leid, daß Mr. Crawford noch immer – ich weiß, daß er mir damit eine große Ehre erweist, und ich verdiene das gar nicht, aber ich bin so felsenfest überzeugt und habe es ihm auch gesagt, daß ich bestimmt niemals …»
«Mein liebes Kind», fiel Sir Thomas ein, «zu alledem ist kein Anlaß. Ich kenne deine Gefühle, wie du meine Wünsche und mein Bedauern kennen mußt. Dazu ist nichts mehr zu sagen und zu tun. Von dieser Stunde an soll davon zwischen uns nie mehr die Rede sein. Du brauchst keine Angst zu haben und dich nicht aufzuregen. Du traust mir doch nicht zu, daß ich versuchen würde, dich gegen deinen Willen zu einer Heirat zu zwingen, nicht wahr? Ich denke einzig an dein Glück und deinen Vorteil. Von dir wird weiter nichts verlangt als Duldsamkeit, wenn Mr. Crawford dich zu überzeugen sucht, daß du mit ihm glücklich sein wirst. Er tut es auf eigene Gefahr, du kannst dich frei entschließen. Ich habe ihm versprochen, daß er dich sehen wird, wenn er uns besuchen kommt, genau wie du auch mit ihm gesprochen hättest, wenn diese Situation nicht eingetreten wäre. Du wirst ihn, so wie bisher, in unserem Familienkreis empfangen und, soweit es dir nur möglich ist, jede unangenehme Erinnerung aus deinen Gedanken verbannen. Er reist in so kurzer Zeit ab, daß nicht einmal dieses kleine Opfer oft von dir verlangt werden wird. Die Zukunft muß ganz ungewiß bleiben. Und von jetzt an, meine liebe Fanny, ist dieses Thema für uns beide erledigt.»
Daß Henry Crawford bald abreisen sollte, war für Fanny der einzige tröstliche Gedanke; doch daß ihr Onkel so freundlich zu ihr sprach und so große Nachsicht zeigte, erfüllte sie mit tiefer Dankbarkeit. Wenn sie bedachte, wie wenig er von dem wahren Stand der Dinge wußte, konnte sie sich auch nicht über seinen Standpunkt wundern. Hatte er nicht seine eigene Tochter mit Mr. Rushworth verheiratet? Romantische Gefühle waren von ihm gewiß nicht zu erwarten. Sie mußte ihre Pflicht tun und darauf hoffen, daß es ihr mit der Zeit leichter fallen würde als jetzt.
Obwohl Fanny erst achtzehn Jahre alt war, konnte sie nicht glauben, Mr. Crawfords Liebe würde ewig währen; sie stellte sich vor, wenn sie ihn nur unablässig und unerschütterlich entmutigte, müsse sie schließlich schwinden. Welche Zeitspanne sie in ihrer Phantasie der Herrschaft seiner leidenschaftlichen Gefühle zubilligte – das ist eine andere Sache. Es wäre nicht diskret, allzu genau erforschen zu wollen, wie hoch eine junge Dame ihre eigene Anziehungskraft einschätzt.
Trotz seiner Absicht, zu schweigen, sah Sir Thomas sich genötigt, mit seiner Nichte noch einmal kurz über die Angelegenheit zu sprechen, um sie darauf vorzubereiten, daß er ihre Tanten einweihen würde. Er selbst hätte diesen Schritt noch immer gern vermieden, doch es blieb ihm nichts anderes übrig, da Mr. Crawford gar
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