Mansfield Park
vermehren. Genug also, daß er sich aufs vornehmste und großmütigste benommen und meine hohe Meinung von seinem Verstand und seinem Charakter aufs günstigste bestätigt hat. Als ich ihm deinen aufgeregten Zustand vor Augen führte, ließ er augenblicklich mit dem größten Feingefühl von seinem Drängen ab, selbst mit dir zu sprechen – wenigstens vorderhand.»
Fanny, die aufgeschaut hatte, senkte bei dem letzten Wort wieder den Blick. «Natürlich», fuhr ihr Onkel fort, «muß er darauf bestehen, allein mit dir zu sprechen, sei es nur fünf Minuten lang – ein so natürliches Verlangen, eine so berechtigte Forderung darf man ihm nicht abschlagen. Doch wir haben keinen Zeitpunkt festgelegt – morgen vielleicht oder sonstwann, wenn du dich genügend gefaßt hast. Jetzt mußt du dich vor allem beruhigen. Weine nicht mehr, Kind, du machst dich ja krank. Wenn du mir, wie ich gerne glauben will, deinen guten Willen zu zeigen wünschst, dann gib diesen Gefühlsaufwallungen nicht nach, sondern bemühe dich um Vernunft und Fassung. Ich rate dir, auszugehen, die frische Luft wird dir guttun. Die Kieswege im Boskett sind halbwegs trocken, dort kannst du eine Stunde lang herumspazieren und wirst ganz ungestört sein. Und, Fanny …» – er wandte sich an der Tür noch einmal um – «ich werde unten nichts von dem Vorgefallenen erwähnen, auch nicht deiner Tante Bertram gegenüber. Es hat keinen Zweck, diese Sache breitzutreten. Sprich du selber auch nicht davon.»
Das war ein Befehl, den Fanny mit Freuden befolgte, ein Beweis seiner Güte, der ihr tief zu Herzen ging. Von den endlosen Vorwürfen ihrer Tante Norris verschont zu bleiben! Sie erglühte vor Dankbarkeit. Alles schien ihr leichter zu ertragen als diese Vorwürfe – sogar vor der Unterredung mit Mr. Crawford graute ihr nicht so sehr.
Sie machte sich sogleich zum Ausgehen zurecht, wie ihr Onkel es empfohlen hatte, und befolgte alle seine Ratschläge nach besten Kräften; sie hielt ihre Tränen zurück und bemühte sich ernsthaft um Fassung und Selbstbeherrschung. Es war ihr innigster Wunsch, ihm zu beweisen, wieviel ihr an seiner Zufriedenheit lag und daß sie seine Gunst wiederzugewinnen suchte. Mit dem Gebot, die ganze Angelegenheit vor ihren Tanten geheimzuhalten, hatte er ihr eine besonders starke Stütze gegeben. Durch ihr Aussehen und ihr Benehmen keinen Verdacht zu erregen – das war ein Ziel, das jede Anstrengung lohnte. Sie fühlte sich der äußersten Selbstüberwindung fähig, wenn es darum ging, sich vor Tante Norris’ scharfer Zunge zu retten.
Als sie von ihrem Spaziergang zurückkam und das Ostzimmer betrat, war das erste, was sie erblickte, ein prächtig prasselndes Feuer im Kamin! Ein Feuer eigens für sie – es war zuviel der Güte! Ihr gerade heute eine solche Bevorzugung zu gönnen! Sie empfand eine geradezu schmerzhafte Dankbarkeit. Sie konnte kaum glauben, daß ihr Onkel sich die Mühe genommen hatte, an eine solche Bagatelle zu denken. Und doch war es so, wie sie alsbald aus dem Geplauder des Dienstmädchens erfuhr, das hereinkam, um Kohle nachzulegen: Sir Thomas hatte ausdrücklich angeordnet, daß von nun an täglich im Ostzimmer eingeheizt werden sollte!
«Wenn ich wirklich undankbar bin, muß ich ein Ungeheuer sein», sagte Fanny zu sich selber.
«Der liebe Gott bewahre mich davor!»
Bis zum Abendessen bekam sie weder ihren Onkel noch Tante Norris zu Gesicht, und dann zeigte ihr Onkel in seinem Benehmen ihr gegenüber nicht die geringste Veränderung, soweit dies überhaupt möglich war. Jedenfalls war sie sicher, daß er sie nicht anders zu behandeln gedachte als bisher und daß höchstens ihr eigenes Gewissen ihr solche Einbildungen vorgaukeln könnte. Hingegen begann Tante Norris alsbald mit ihr zu zanken, und wenn sie bedachte, welch endloses und gehässiges Gekeife der harmlose Umstand, daß sie ohne Wissen ihrer Tante ausgegangen war, auf sie herabbeschwor, hatte sie allen Grund, die schonungsvolle Güte zu preisen, die sie vor Vorwürfen aus einem viel bedeutsameren Anlaß bewahrte.
«Wenn ich gewußt hätte, daß du ausgehst, hätte ich dich bis zu meinem Haus geschickt, um Nanny etwas auszurichten», sagte Tante Norris.
«Inzwischen mußte ich, so unbequem es für mich war, selbst gehen und mit ihr sprechen! Es fiel mir sehr schwer, die Zeit dafür zu erübrigen – und all die Mühe hättest du mir ersparen können, wenn du so freundlich gewesen wärest, uns wissen zu lassen, daß du ausgehst! Für dich wäre es
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