Mansfield Park
abspeisen. Ausdauer besaß er, soviel Sir Thomas ihm nur wünschen konnte, und außerdem Eitelkeit genug, um sich einzubilden, daß Fanny ihn in Wirklichkeit liebte, wenn sie es auch vielleicht selbst noch nicht wußte; und als er sich schließlich überzeugen mußte, daß sie sich über ihre augenblicklichen Gefühle nicht täuschte, zweifelte er keinen Moment daran, daß es ihm mit der Zeit gelingen würde, sie zu seinen Gunsten umzustimmen.
Er war verliebt, überaus verliebt; und da seiner energischen, sanguinischen Natur Fannys Zuneigung um so begehrenswerter erschien, als sie ihm versagt wurde, beschloß er mit seiner ganzen Leidenschaftlichkeit, der kein allzugroßes Zartgefühl im Wege stand, nicht nur das Glück ihrer Liebe zu erringen, sondern auch den stolzen Ruhm, daß er sie dazu gezwungen hatte.
Nein, er wollte sie nicht aufgeben, er wollte nicht von ihr ablassen. Er hatte allen Anlaß, an ihr festzuhalten; er kannte ihren Wert, er wußte, daß er mit ihr immer glücklich sein würde. Gerade ihr jetziges Verhalten, das die Unbestechlichkeit und Feinfühligkeit ihres Charakters offenbarte (zwei Eigenschaften, die er für äußerst selten hielt), war dazu angetan, seine Wünsche noch zu befeuern und ihn in seinem Entschluß zu festigen. Daß das Herz, das er zu erobern gedachte, schon einem anderen gehörte, ahnte er nicht – dieser Verdacht lag ihm fern. Er glaubte vielmehr, sie habe noch zu wenig an die Liebe gedacht, um gefährdet zu sein, ihr Gemüt sei von der gleichen holden Kindlichkeit wie ihre Person, ihre Züchtigkeit habe sie davor bewahrt, seine Aufmerksamkeiten richtig zu deuten, und sie sei jetzt ganz überwältigt und verwirrt von der Plötzlichkeit seiner unerwarteten Liebeserklärung und von der Neuheit einer Situation, mit der sich ihre Phantasie noch nie befaßt hatte.
Folgte daraus nicht ganz selbstverständlich, daß er siegen mußte, sobald sie ihn nur richtig verstand? Er war davon überzeugt. Ein Mann wie er, der so liebte, wie er sie liebte, brauchte nur etwas Ausdauer, um sein Ziel zu erreichen. Es konnte nicht einmal lange dauern – und der Gedanke, sie in sehr kurzer Zeit dahin zu bringen, entzückte ihn so sehr, daß er es kaum bedauerte, wenn sie ihn vorderhand noch nicht liebte. Daß es noch eine kleine Schwierigkeit zu überwinden galt, war ganz nach Henry Crawfords Geschmack. Das brachte ihn in Stimmung.
Bisher war es ihm allzu leicht gefallen, Herzen zu erobern. Die Situation war für ihn neu und anregend.
Für Fanny, der im Leben allzuviel Widerstand begegnet war, um darin einen Reiz zu finden, war dies alles unverständlich. Sie sah, daß er entschlossen war, weiter um sie zu werben; und daß er dazu imstande war, nachdem sie ihn mit den entschiedensten Worten abgewiesen hatte – das begriff sie einfach nicht. Sie hatte ihm gesagt, sie liebe ihn nicht, sie könne ihn nicht lieben, sie sei ganz sicher, daß sie ihn niemals lieben würde; eine solche Sinnesänderung sei ausgeschlossen, das Gespräch sei ihr überaus peinlich, sie müsse ihn ernstlich bitten, sie jetzt gehen zu lassen und niemals wieder darauf zurückzukommen. Und als er weiter in sie drang, hatte sie hinzugefügt, ihrer Ansicht nach seien sie so grundverschiedene Menschen, daß eine gegenseitige Zuneigung undenkbar wäre; sie paßten ihrer Natur, ihrer Erziehung, ihrer ganzen Einstellung nach nicht zusammen. All das hatte sie mit dem Ernst der vollsten Aufrichtigkeit gesagt; aber es hatte nicht genügt, denn er leugnete prompt, daß sie im Charakter oder in irgendeinem anderen Punkt nicht zusammenpaßten, und erklärte nachdrücklich, er werde fortfahren, sie zu lieben und auf ihre Gegenliebe zu hoffen!
Fanny wußte, daß sie es ernst meinte, aber sie vermochte nicht zu beurteilen, wie sie auf andere Menschen wirkte. Ihr Wesen war so unverbesserlich sanft, daß es nicht recht an die Unerschütterlichkeit ihres Entschlusses glauben ließ. Ihre Schüchternheit, ihre Dankbarkeit, ihre Sanftmut gaben jeder Beteuerung ihrer Abneigung beinahe einen Anschein von Selbst-Verleugnung; zumindest klang es, als seien die harten Worte, zu denen er sie zwang, ihr ebenso schmerzlich wie ihm. Mr. Crawford war ja jetzt nicht mehr der Mr. Crawford, den sie als heimtückischen, verräterischen Liebhaber ihrer Cousine Maria verabscheut hatte, dessen Anblick und Rede ihr hassenswert erschienen, dem sie keine einzige gute Eigenschaft zutraute und dessen allgemein gerühmte Liebenswürdigkeit sie nicht anerkannte. Jetzt
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