Mansfield Park
die Gegenwart. Jetzt sucht man sich in diesem Punkt zu bessern. Aber von den Geistlichen, die vor zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren ihr Amt antraten, scheinen die meisten zu glauben, daß Lesen und Predigen zwei ganz verschiedene Dinge sind. Das ist jetzt anders geworden, und man schenkt dem Problem mehr Aufmerksamkeit. Man weiß, daß eine deutliche, ausdrucksvolle Sprache auch bei der Übermittlung der ältesten Wahrheiten nicht überflüssig ist, und außerdem herrscht ganz allgemein mehr Geschmack und kritischer Verstand als früher. In jeder Kirchgemeinde gibt es heute eine größere Anzahl von Menschen, die etwas von der Sache verstehen und imstande sind, zu urteilen und zu kritisieren.»
Edmund hatte seit seiner Ordinierung schon einmal den Gottesdienst abgehalten. Als er dies erwähnte, stellte Crawford ihm eine Menge Fragen nach seinen persönlichen Empfindungen und seinem Erfolg; und obwohl er mit der ganzen Lebhaftigkeit freundschaftlicher Anteilnahme und raschen Urteils sprach, enthielten seine Worte nicht die geringste Spur jener spöttischen, leichtfertigen Einstellung, die Fanny, wie Edmund wußte, besonders anstößig war, so daß er alle Fragen mit aufrichtigem Vergnügen beantwortete. Als Crawford sich dann nach seiner Meinung erkundigte, auf welche Weise bestimmte Texte beim Gottesdienst am besten wiederzugeben wären, und seine eigenen Anschauungen darüber äußerte, die bewiesen, daß er schon früher über diese Dinge nachgedacht hatte, war Edmund besonders erfreut. Das war der richtige Weg zu Fannys Herzen. Sie war nicht durch Galanterie und Witz und heitere Laune zu gewinnen oder würde sich wenigstens nicht so rasch gewinnen lassen, wenn sich dazu nicht der Beweis von feinem Empfinden und moralischem Ernst gesellte.
«Unsere Liturgie», bemerkte Crawford, «enthält Schönheiten, denen nicht einmal die gleichgültigste, liederlichste Art des Vorlesens etwas anhaben kann; aber sie hat auch ihre Weitschweifigkeiten und Wiederholungen, die gut vorgetragen werden müssen, um nicht störend zu wirken. Wenigstens muß ich für meine eigene Person gestehen, daß ich nicht immer so aufmerksam zuhöre, wie ich sollte (mit einem Blick auf Fanny), so daß ich mich in neunzehn von zwanzig Fällen auf dem Gedanken ertappe, wie man dieses oder jenes Gebet eigentlich sprechen sollte, und mir wünsche, es selbst vortragen zu dürfen.
– Haben Sie etwas gesagt?» unterbrach er sich, während er sich lebhaft Fanny zuwandte. Und auf ihr «Nein» hin, fuhr er in weicherem Ton fort: «Haben Sie wirklich nichts gesagt? Ich habe gesehen, wie Ihre Lippen sich bewegten. Ich habe mir eingebildet, Sie würden mir befehlen, aufmerksamer zu sein und meine Gedanken besser im Zaum zu halten. Wollen Sie mir das nicht befehlen?»
«Nein – wirklich nicht … Sie wissen zu gut, was sich gehört, als daß ich – sogar wenn …»
Sie brach verwirrt ab und war trotz all seinem Flehen und geduldigem Warten zu keinem weiteren Wort zu bewegen. Daraufhin kehrte Crawford an seinen früheren Platz zurück und fuhr fort, als hätte es keine zärtliche Unterbrechung gegeben:
«Eine gut vorgetragene Predigt ist etwas noch Ungewöhnlicheres als schön gesprochene Gebete. Eine gut aufgebaute Predigt ist nichts Seltenes. Es ist schwieriger, gut zu sprechen, als gut zu schreiben – das heißt, die Regeln und Kunstgriffe des Stils werden viel gründlicher studiert als die Gesetze der Rhetorik. Der höchste Genuß ist eine vollendet gute Predigt, die vollendet gut vorgetragen wird. So etwas kann ich niemals ohne die größte Bewunderung und Hochachtung anhören – und nicht, ohne daß ich beinahe Lust bekomme, selbst in den geistlichen Stand zu treten und zu predigen. In der Redekunst der Kanzel – wenn es echte Redekunst ist – liegt etwas, was die höchste Ehre und den höchsten Respekt verdient. Der Prediger, der imstande ist, ein so ungleichartiges Publikum zu bewegen und zu packen, und dies bei einer eng begrenzten Auswahl von Themen, die von gemeinen Geistern längst bis zur Fadenscheinigkeit abgegriffen wurden, ein Prediger, der dazu etwas Neues oder Aufwühlendes zu sagen hat, ohne das religiöse Gefühl und den herkömmlichen Geschmack seiner Zuhörer zu beleidigen, ist ein Mensch, den ich (in seiner beruflichen Eigenschaft) nicht hoch genug ehren kann. So ein Mann wäre ich gerne.»
Edmund lachte.
«Nein, das ist mein Ernst. Ich habe nie im Leben einem hervorragenden Prediger zugehört, ohne einen gewissen Neid zu
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