Mansfield Park
wieviel Ermutigung er aus ihrem Benehmen schöpfen durfte. Es war nicht viel, es war so furchtbar wenig (jede Chance, einen winzigen Schritt vorwärts zu tun, beruhte allein auf ihrer Verlegenheit, ihre Verwirrung war das einzige, worauf man einige Hoffnung setzen konnte), daß er die Beharrlichkeit seines Freundes nur bewundern konnte. Fanny war es wert – Edmund fand, daß es alle Geduld und Mühe der Welt wert sei, sie zu gewinnen – aber er persönlich hätte es nicht über sich gebracht, sich weiterhin um ein Mädchen zu bemühen, das ihm nicht mehr Ermutigung schenkte, als er in ihrem Blick entdeckte. Er hoffte nur, daß Crawford bessere Augen hätte als er – und das war der tröstlichste Schluß, den er aus allem, was vor, während und nach dem Essen vor sich ging, im Interesse seines Freundes ziehen konnte.
Im weiteren Verlauf des Abends ereignete sich einiges, was ihm verheißungsvoller erschien. Als er mit Crawford in den Salon kam, fanden sie Fanny und Lady Bertram so emsig und schweigsam über ihrer Handarbeit, als hätten sie für nichts sonst Gedanken. Edmund machte unwillkürlich eine Bemerkung über die tiefe Stille, die im Zimmer herrschte.
«Wir sind nicht die ganze Zeit so still gewesen», erwiderte seine Mutter. «Fanny hat mir vorgelesen und das Buch erst weggelegt, als sie euch kommen hörte.» Tatsächlich lag ein Buch auf dem Tisch, das so aussah, als sei es eben erst zugeschlagen worden, ein Band Shakespeare.
«Sie liest mir oft aus diesen Büchern vor und war gerade mitten in einer sehr schönen Rede von diesem – wie heißt er doch, Fanny? – als wir euere Schritte hörten.»
Crawford griff nach dem Buch. «Vergönnen Sie mir das Vergnügen, Lady Bertram, Ihnen die Rede zu Ende zu lesen», sagte er. «Ich werde sie sofort finden.» Und indem er sich beim Aufschlagen des Buches sorgfältig nach der Lage der Blätter richtete, fand er tatsächlich die Stelle, wenigstens auf ein, zwei Seiten genau, genau genug für Lady Bertram, die, sobald sie den Namen von Kardinal Wolsey hörte, befriedigt erklärte, es sei gerade diese Rede. Fanny reagierte mit keinem Blick, keinem Anerbieten, ihm die Szene zu zeigen, keiner Silbe für oder gegen das Unternehmen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt ihrer Handarbeit, sie war offenkundig fest entschlossen, sich für nichts anderes zu interessieren. Doch dazu besaß sie zuviel Geschmack. Sie vermochte sich der Schönheit der Dichtung nicht fünf Minuten lang zu verschließen – sie mußte einfach zuhören. Crawford las großartig, und sie hatte von jeher das größte Vergnügen an einem guten Vortrag. Daß man einfach nur gut vorlas, daran war sie gewöhnt. Ihr Onkel und ihre Cousins lasen alle gut – Edmund besonders. Doch Mr. Crawfords Vortrag war so ausgezeichnet, wie sie es nie gehört hatte. Der König, die Königin, Buckingham, Wolsey, Cromwell – alle wurden der Reihe nach dargestellt, denn mit erstaunlichem Geschick, mit dem glücklichsten Talent, verstand er es, das mäßig Interessante zu überspringen und jeweils bei der schönsten Szene, der charakteristischsten Rede jedes einzelnen wieder einzusetzen; und ob es Würde oder Stolz, Zärtlichkeit, Reue oder sonst ein Gefühl auszudrücken galt – er trug alles mit der gleichen Vollendung vor. Es war hinreißend dramatisch. Sein Spiel hatte Fanny zuerst gelehrt, welchen Genuß ein Theaterstück bereiten kann, und sein Lesen rief ihr alles in Erinnerung – nur war das Vergnügen jetzt noch größer, denn es kam unerwartet und enthielt nichts von dem unangenehmen Beigeschmack, der sie gestört hatte, wenn sie ihn mit Maria zusammen agieren sah.
Edmund beobachtete, wie sie langsam in den Bann gezogen wurde; es belustigte und freute ihn, zu sehen, wie sie allmählich die Nadel sinken ließ, der anfänglich ihre ganze Aufmerksamkeit gegolten hatte, wie die Arbeit unbemerkt ihrer Hand entglitt, während sie unbeweglich dasaß und lauschte – und wie schließlich ihr Blick, der Crawford den ganzen Tag so geflissentlich gemieden hatte, sich nun auf ihn heftete und gebannt auf ihm ruhte – minutenlang auf ihm ruhte, bis er es spürte und sie seinerseits ansah. Er schlug das Buch zu, der Zauber war gebrochen, und Fanny zog sich errötend in sich selber zurück und stichelte wieder emsig drauflos. Aber der kurze Augenblick hatte genügt, um Edmund Hoffnung für seinen Freund zu geben, und mit seinen herzlichen Dankesworten für den großen Genuß hoffte er, auch Fannys heimliches Empfinden
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