Mansfield Park
Wie konnte ich ihm mit meiner fix und fertigen Liebe aufwarten, sobald er sie nur forderte? Seine Schwestern sollten auch ein wenig meine Situation bedenken. Je höher sein Wert, desto ungehöriger wäre es für mich, an ihn auch nur gedacht zu haben. Und – und – wir haben sehr verschiedene Begriffe vom weiblichen Gemüt, wenn sie sich vorstellen, daß eine Frau imstande ist, jede Zuneigung stracks zu erwidern – wie sie es allem Anschein nach verlangen …»
«Liebste, liebste Fanny, jetzt habe ich endlich die Wahrheit! Ich weiß, daß dies die Wahrheit ist – und diese Gefühle sind deiner würdig! Ich hatte sie dir beigelegt, ich war sicher, dich richtig zu verstehen – und jetzt hast du mir bestätigt, was ich gestern auf eigene Verantwortung Miss Crawford und Mrs. Grant erklärt habe. Sie waren bis zu einem gewissen Grad davon befriedigt, obwohl deine warmherzige Freundin sich noch immer ein wenig von ihrer Begeisterung für Henry hinreißen ließ. Ich setzte ihnen auseinander, niemand hänge so fest wie du am Altgewohnten und schrecke so sehr vor allem Neuen zurück – und daß gerade die Neuheit von Crawfords Antrag ihm im Wege stünde; daß dir der Gedanke noch zu fremd sei – daß du dich an alles erst langsam gewöhnen müßtest
– und noch viel in dem gleichen Sinn, um ihnen einen Begriff von deinem Charakter zu geben. Miss Crawford hat uns mit ihren witzigen Einfällen, wie man ihrem Bruder Mut machen könnte, zum Lachen gebracht. Sie sagte, sie wolle ihn in der Hoffnung bestärken, daß er mit der Zeit Gegenliebe finde – nach dem Ablauf von zehn glücklichen Ehejahren würdest du ihm freundlichst gestatten, dir den Hof zu machen.»
Das Lächeln, das hier von ihr erwartet wurde, fiel Fanny sehr schwer. Ihr ganzes Gefühl sträubte sich gegen das, was sie hörte. Sie bereute schon, daß sie zuviel gesagt hatte; sie fürchtete, die Vorsicht, die sie für notwendig hielt, übertrieben zu haben; während sie sich gegen ein Übel zu wappnen suchte, hatte sie sich einem anderen ausgesetzt – und daß sie in diesem Augenblick Miss Crawfords muntere Scherze anzuhören hatte, tat ihr bitterlich weh.
Edmund sah die Erschöpfung und Niedergeschlagenheit, die sich in ihren Zügen malte, und beschloß, der Unterredung augenblicklich ein Ende zu machen und den Namen Crawford nicht mehr zu erwähnen, außer in einem Zusammenhang, der ihr angenehm sein mußte. Nach diesem Prinzip bemerkte er alsbald: «Sie reisen am Montag ab. Du wirst also deine Freundin sicherlich morgen oder am Sonntag sehen. Nächsten Montag reisen sie ab! Und ich hätte mich um ein Haar dazu überreden lassen, just bis Montag in Lessingby zu bleiben – ich hatte schon beinahe zugesagt. Wieviel doch von einer Kleinigkeit abhängen kann! Diese fünf, sechs Tage hätten vielleicht meinem ganzen Leben eine andere Wendung gegeben.»
«Und du warst nahe daran, zu bleiben?»
«Ganz nahe. Ich wurde so liebenswürdig dazu genötigt und hatte es schon fast versprochen. Hätte ich irgendeinen Brief aus Mansfield bekommen, um zu erfahren, wie es euch allen ging, wäre ich bestimmt geblieben. Aber ich war zwei Wochen lang ohne Nachricht und hatte das Gefühl, ich wäre lange genug fortgewesen.»
«Und du hast dort eine angenehme Zeit verbracht?»
«Ja – das heißt, es lag nur an mir, wenn ich es nicht so angenehm fand. Alle waren ganz reizend zu mir. Ich bezweifle, daß sie das gleiche von mir behaupten werden. Ich kam schon voll innerer Unruhe an und konnte sie nicht loswerden, ehe ich wieder in Mansfield war.»
«Und die Schwestern deines Freundes – haben dir gefallen, nicht wahr?»
«Sehr gut. Es sind liebe, fröhliche, natürliche Mädchen. Aber ich bin in bezug auf weibliche Gesellschaft sehr verwöhnt, Fanny. Fröhliche, natürliche Mädchen genügen einem Mann nicht, der an kluge Frauen gewöhnt ist. Das sind zwei ganz verschiedene Gattungen. Du und Miss Crawford, ihr habt mich anspruchsvoll gemacht.»
Doch Fanny blieb still und traurig. Er sah, daß sein Geplauder sie nicht aufheitern konnte, und ohne es weiter zu versuchen, führte er sie mit der Autorität eines privilegierten Hüters und Beschützers alsbald ins Haus zurück.
36. Kapitel
Edmund war befriedigt, denn er glaubte, nun über alles im Bilde zu sein, was Fanny von ihren Gefühlen aussagen oder andeuten konnte. Crawford war, wie er von Anfang an angenommen, zu rasch vorgegangen. Man mußte ihr Zeit lassen, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß Crawford sie
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