Mansfield Park
bewegten sich in einer weniger philosophischen Richtung. Sie hob zuerst wieder an:
«Ich erinnere mich gut, wie ich damals beschloß, Sie hier oben aufzustöbern – und wie ich mich auf die Suche nach dem Ostzimmer machte, ohne die leiseste Ahnung, wo es wäre! Ich weiß noch genau, was ich auf dem Weg hierher dachte – und wie ich hereinschaute und Sie mit Ihrer Arbeit an diesem Tisch saßen … Und das Erstaunen Ihres Cousins, als er die Tür öffnete und mich hier erblickte! Nein, daß Ihr Onkel gerade an diesem Abend heimkommen mußte – wie sonderbar sich doch alles gefügt hat …»
Wieder verlor sie sich in Träumerei – nach einem Augenblick riß sie sich daraus los und rief:
«Fanny, Sie träumen! Sie sind ja ganz versunken! Hoffentlich in Gedanken an einen, der ständig an Sie denkt! Ach, wenn ich Sie nur auf kurze Zeit in unseren Kreis in London entführen könnte, damit Sie einen Begriff davon bekommen, was Ihre Macht über Henrys Herz bedeutet! Oh, der Neid und der Kummer von Dutzenden, ja Dutzenden von Mädchen – das ungläubige Staunen, wenn man erfahren wird, was Sie ihm antun! Denn hierin gleicht Henry den Helden der alten Rittersage, er denkt nicht daran, seine Liebe vor der Welt zu verbergen, sondern rühmt sich der Fesseln, in die Sie ihn geschlagen haben. Sie müßten nach London kommen, um den Wert Ihrer Eroberung richtig schätzen zu lernen. Wenn Sie sehen könnten, wie man ihn umschwärmt und wie ich um seinetwillen umschwärmt werde! Ich weiß sehr gut, daß ich Mrs. Fraser jetzt nicht halb so willkommen sein werde wie früher. Wenn sie erfährt, was geschehen ist, wird sie mich wahrscheinlich nach Northamptonshire zurückwünschen. Es gibt da nämlich eine Tochter aus der ersten Ehe ihres Mannes, die sie um jeden Preis verheiraten will, und sie hatte es auf Henry abgesehen. Wenn ich bedenke, was sie alles aufgeführt hat, um ihn einzufangen! Da sitzen Sie so still und unschuldig, Fanny, und ahnen gar nicht, was für eine Sensation Sie bedeuten. Wie wild alle darauf sein werden, Sie zu sehen, mit welch endlosen Fragen man mich überfallen wird! Die arme Margaret Fraser wird mich unablässig quälen, was für Augen und was für Zähne Sie haben und wie Sie Ihr Haar tragen und wer Ihre Schuhe macht … Ich wünschte um meiner armen Freundin willen, daß Margaret endlich einen Mann findet, denn soviel ich sehe, sind die Frasers in ihrer Ehe genau so unglücklich wie die meisten anderen Leute – und doch war es damals für Janet eine höchst begehrenswerte Partie. Wir waren alle hochbeglückt darüber. Sie konnte natürlich nichts anderes tun, als ihn nehmen, denn er war reich, und sie hatte gar nichts. Aber es zeigte sich bald, daß er griesgrämig und exigeant ist und von einer jungen Frau, einer schönen, jungen Frau von fünfundzwanzig Jahren verlangt, daß sie ständig zu Hause sitzt. Und sie versteht ihn nicht richtig zu behandeln, sie weiß ihn nicht zu nehmen. Es herrscht dort immer eine gereizte Stimmung, die, um es milde auszudrücken, von sehr schlechten Manieren zeugt. In ihrem Haus werde ich mit Respekt an den Ton zurückdenken, der in Mansfield unter Ehegatten üblich ist. Sogar Dr. Grant hat unverbrüchliches Vertrauen zu meiner Schwester und gibt viel auf ihr Urteil, so daß man es trotz allem eine gute Ehe nennen muß – bei den Frasers werde ich nichts dergleichen finden. Ach, Fanny, ich werde in Gedanken ständig in Mansfield sein. Meine Schwester als Ehefrau, Sir Thomas Bertram als Ehemann – das ist für mich das Maß der Vollkommenheit. Die arme Janet ist böse hereingefallen, und dabei kann man ihr nicht einmal einen Vorwurf machen. Sie hat sich nicht kopflos in diese Ehe gestürzt, niemand kann sagen, sie hätte unüberlegt gehandelt. Sie hatte sich drei Tage Bedenkzeit erbeten, und in diesen drei Tagen hat sie buchstäblich jeden Menschen, den sie kannte, um seine Meinung gefragt und sich vor allem mit meiner lieben seligen Tante beraten, deren Weltkenntnis von allen jungen Menschen in ihrem Kreis mit Recht aufs höchste geschätzt wurde – und auch meine Tante war ganz entschieden für die Heirat! Es scheint, als gäbe es überhaupt keine Gewähr für das Glück in der Ehe! Doch meine Freundin Flora kann ich nicht gänzlich von Schuld freisprechen. Sie hat einen sehr netten jungen Offizier versetzt, um diesen scheußlichen Lord Stornaway zu heiraten, der ungefähr soviel Verstand besitzt wie Mr. Rushworth, Fanny, aber längst nicht so gut aussieht und ein
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