Mansfield Park
eine ganz schlechte Meinung von ihm. Er hat sich damals meinem Gefühl nach so unschön benommen – jetzt darf ich ja darüber sprechen, da alles vorbei ist – er hat den armen Mr. Rushworth so rücksichtslos gekränkt und bloßgestellt – und Maria in so ungebührlicher Weise ausgezeichnet, daß … Kurz, damals beim Theaterspielen hat er mir einen schlechten Eindruck gemacht, den ich niemals mehr loswerde.»
«Meine liebste Fanny!» rief Edmund, der sie kaum ausreden lassen wollte. «Möge keiner von uns danach beurteilt werden, wie er sich in dieser Periode der allgemeinen Verrücktheit gezeigt hat! Es ist mir schrecklich, an diese Zeit zurückzudenken. Maria hat sich schlecht benommen, Crawford hat sich schlecht benommen, alle miteinander haben wir uns schlecht benommen – aber am allerschlimmsten ich selber! Im Vergleich zu mir haben sich die anderen alle untadelig aufgeführt. Ich habe mich mit offenen Augen zum Narren gemacht.»
«Als Unbeteiligte», sagte Fanny, «habe ich vielleicht mehr gesehen als du. Ich bin überzeugt, daß Mr. Rushworth manchmal sehr eifersüchtig war.»
«Wohl möglich. Kein Wunder! Das Ganze war so unschicklich und ungehörig wie möglich. Ich bin noch jetzt wie vor den Kopf geschlagen, wenn ich denke, daß Maria imstande war … Doch nachdem sie diese Rolle übernommen hatte, mußten wir auf alles übrige gefaßt sein.»
«Und vor der Theateraufführung – ich müßte mich sehr täuschen, wenn Julia damals nicht überzeugt war, daß er ihr den Hof machte.»
«Julia? Ja, irgendjemand hat einmal behauptet, daß er in Julia verliebt wäre, aber ich selbst konnte nie das Geringste davon bemerken. Und, Fanny – so sehr ich die guten Eigenschaften meiner Schwestern zu schätzen weiß, halte ich es doch für möglich, daß die eine oder andere oder alle beide mehr darauf bedacht waren, von Mr. Crawford bewundert zu werden, und es ihm deutlicher gezeigt haben, als zu verantworten war … Sie haben kein Geheimnis daraus gemacht, wie angenehm sie seine Gesellschaft fanden – und ein solches Entgegenkommen kann einen lebhaften und vielleicht ein wenig zu sorglosen jungen Mann wie Crawford leicht dazu verlocken … Jedenfalls kann es nicht sehr arg gewesen sein, es ist ja klar, daß er niemals ernste Absichten hatte – sein Herz war dir vorbehalten. Und daß es so ist, Fanny, hat meine gute Meinung von ihm unsagbar erhöht. Es macht ihm die größte Ehre. Es zeigt, daß er eine glückliche Ehe und reine Liebe als das höchste Glück betrachtet, es zeigt, daß sein Onkel ihn nicht verdorben hat – kurz, es zeigt, daß er der Mensch ist, für den ich ihn immer gern halten wollte, obwohl ich oft fürchtete, mich zu täuschen.»
«Ich bin der festen Überzeugung, daß er ernste Dinge nicht mit dem nötigen Ernst betrachtet.»
«Sag lieber, daß er überhaupt noch nicht viel über ernste Dinge nachgedacht hat. Das glaube ich nämlich – und wie könnte es bei einer solchen Erziehung und Umgebung auch anders sein? Wenn man bedenkt, unter welch ungünstigen Voraussetzungen die beiden herangewachsen sind, scheint es geradezu wunderbar, was aus ihnen geworden ist. Crawford hat sich bisher allzusehr von seinem Gefühl leiten lassen, das will ich zugeben, aber glücklicherweise war sein Gefühl im großen und ganzen gut und richtig. Was ihm noch fehlt, wirst du ihm beibringen. Er hat das Glück, ein Wesen wie dich gefunden zu haben – eine Frau, die felsenfest zu ihren eigenen Grundsätzen steht und dabei alle Sanftmut und Weichheit besitzt, um sie den anderen schmackhaft zu machen. Er hat eine gute Wahl getroffen. Er wird dich glücklich machen, Fanny, ich weiß, daß er dich glücklich machen wird, aber du wirst einen edlen Menschen aus ihm machen.»
«Ein solches Amt würde ich niemals auf mich nehmen!» rief Fanny erschrocken. «Eine so große Verantwortung …»
«Wie immer denkst du zu gering von dir und traust dir zu wenig zu! Nun, mir wird es wohl nicht gelingen, dich zu einer anderen Auffassung zu bekehren, aber du wirst schließlich bekehrt werden, dessen bin ich sicher – und ich gestehe dir aufrichtig, daß es mein innigster Wunsch ist, Fanny. Ich habe mehr als ein allgemein freundschaftliches Interesse an Crawfords Glück – nächst dem deinen liegt es mir am meisten am Herzen … Du weißt wohl, daß ich an Crawford mehr als ein allgemeines Interesse habe.»
Fanny wußte es zu gut, um etwas dazu zu bemerken, und sie legten die nächsten fünfzig Schritte schweigend und in
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