Mansfield Park
könnte. Die beiden Mädchen sahen ganz gleich aus, beide in hübschen Kleidern mit Schleierhütchen und Sonnenschirm wie jedes andere junge Mädchen. Aber hinterher habe ich erfahren, daß ich meine Aufmerksamkeit an die jüngere Schwester verschwendet hatte, die noch nicht eingeführt war, und damit hatte ich die ältere tödlich beleidigt. Miss Augusta hätte die nächsten sechs Monate lang noch nicht bemerkt werden dürfen, und Miss Sneyd hat mir, glaube ich, niemals vergeben.»
«Das war wirklich arg. Arme Miss Sneyd! Obwohl ich keine jüngere Schwester habe, fühle ich mit ihr. Vorzeitig übergangen zu werden – das muß sehr ärgerlich sein. Doch es war ausschließlich die Schuld der Mutter. Miss Augusta hätte sich zu ihrer Gouvernante halten müssen. Solche Halbheiten tun nie gut. Aber jetzt müssen Sie meine Neugier betreffs Miss Price befriedigen. Besucht sie Bälle? Ist sie nur zu meiner Schwester gekommen, oder wird sie auch in andere Häuser zum Essen eingeladen?»
«Nein, ich glaube, sie war noch nie auf einem Ball», erwiderte Edmund. «Meine Mutter geht selten in Gesellschaft und speist niemals auswärts, außer bei Mrs. Grant, und Fanny bleibt mit ihr zu Hause.»
«Oh, dann ist die Sache ganz klar. Miss Price ist nicht eingeführt.»
6. Kapitel
Mr. Bertram reiste ab, und Miss Crawford machte sich darauf gefaßt, eine große Lücke in ihrem Kreis zu finden und ihn bei den jetzt fast täglich stattfindenden Begegnungen der beiden Familien schmerzlich zu vermissen. Als sie kurz nach seiner Abreise alle zum Essen nach Mansfield Park geladen waren, nahm sie ihren gewohnten Platz am unteren Ende der Tafel mit recht melancholischen Erwartungen ein. Sie war sicher, daß die Mahlzeit äußerst langweilig verlaufen würde. Edmund, der an Stelle seines Bruders den Hausherrn spielte, würde im Gegensatz zu diesem nichts zu sagen haben. Er würde die Suppe ganz temperamentlos austeilen, den Wein ohne Lachen und nette Scherze einschenken und die Rehkeule tranchieren, ohne eine einzige lustige Anekdote über einen früheren Wildbraten oder eine unterhaltsame Geschichte über «meinen Freund Soundso» zum besten zu geben. Ihr einziges Amüsement würde wohl darin bestehen, aufzupassen, was am oberen Ende der Tafel vor sich ging, und Mr. Rushworth zu beobachten, der heute zum erstenmal seit dem Eintreffen der Crawfords in Erscheinung trat. Er war bei einem Freund in der benachbarten Grafschaft zu Besuch gewesen, und da dieser Freund kürzlich seine Parkanlagen von einem Fachmann hatte umgestalten lassen, war Mr. Rushworth jetzt ganz von diesem Gegenstand erfüllt und höchst begierig, seine eigene Besitzung auf die gleiche Weise zu verschönern. Obwohl er nicht viel Zweckmäßiges vorbrachte, konnte er von nichts anderem reden. Das Thema war bereits im Salon abgehandelt worden und wurde nun im Eßzimmer wieder aufgegriffen. Mr. Rushworth wünschte offensichtlich vor allem, Miss Bertram dafür zu interessieren und ihre Meinung zu hören; und obwohl sich in ihrer Haltung eher das Bewußtsein ihrer Überlegenheit als Anteilnahme an seinen Bestrebungen verriet, erfüllten sie die Erwähnung von Sotherton Court und die damit zusammenhängenden Aussichten mit einer Selbstzufriedenheit, die sie davor bewahrte, ausgesprochen ungnädig zu wirken.
«Ich wollte, Sie könnten Compton sehen», sagte Mr. Rushworth. «Es ist wirklich vollkommen. Ich habe nie im Leben eine solche Veränderung gesehen. Ich habe zu Smith gesagt, ich wüßte gar nicht, wo ich wäre. Die jetzige Zufahrt ist etwas Großartiges. Das Haus präsentiert sich ganz überraschend. Ich muß sagen, wie ich gestern nach Sotherton zurückkam, sah es aus wie ein Gefängnis – ein düsteres, altes Gefängnis.»
«Oh, schämen Sie sich!» rief Mrs. Norris.
«Wahrhaftig, ein Gefängnis! Sotherton Court ist der vornehmste alte Landsitz der Welt.»
«Aber es muß verschönert werden, gnädige Frau, es muß unbedingt verschönert werden. Ich habe nie im Leben einen Platz gesehen, der so dringend eine Verschönerung gebraucht hätte. Und es sieht so hoffnungslos aus, daß ich gar nicht weiß, was man damit anfangen kann.»
«Kein Wunder, daß Mr. Rushworth gegenwärtig so denkt», bemerkte Mrs. Grant lächelnd zu Mrs. Norris. «Aber keine Sorge – Sotherton wird bald in jeder Beziehung verschönert sein, wie es seinem Herzenswunsch entspricht.»
«Ich muß versuchen, etwas daraus zu machen, aber ich weiß nicht was», erklärte Mr. Rushworth. «Ich
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