Manta 02 - Orn
Beben muß parallel zu der Spalte einen Kamm aufgeschüttet haben. Nun, es ist sinnlos, dir das zu erklären. Sie kann uns den besten Überweg zeigen, so. daß wir waten können. Und sie sagt, es gibt gerade keine Reptile in der unmittelbaren Nachbarschaft und auch keine Haie. Sie haben sich alle auf einem mehrere Kilometer entfernten Schlachtfeld versammelt, wo es viel Blut gegeben hat. Irgend etwas dieser Art, ich bin mir nicht sicher. Bei der Hauptinsel gibt es ein schlafendes Schnabeltier, aber das stört uns sowieso nicht. Aber die Flut kommt. Wenn wir gehen wollen, müssen wir es sofort tun. Bei der nächsten Ebbe ist es zu heiß, und alle Meeresräuber werden wieder zur Stelle sein.«
Orn ignorierte ihr Geschnatter. Es war Dämmerung, die beste Zeit zum Jagen, weil die meisten Reptile träge waren, allerdings nicht die Haie. Er würde auch für die Säugerin Nahrung beschaffen müssen, da sie das Ei zu wärmen hatte. Er hatte beobachtet, daß sie keinen Fisch verzehrte, sondern Beeren und Larven von der Insel zu sich nahm. Er konnte jetzt hinüberschwimmen und ein paar Wurzeln für sie ausfindig machen, um anschließend selbst zu essen.
Der Fliegenpilz flog wieder über die See hinweg. Die Quilon stand auf, nahm das Ei und ging in das Wasser hinein.
Orn kreischte und flatterte hinter ihr her, entsetzt über ihre Torheit. Die kühle See würde das Leben in dem Ei töten. Aber sie machte nur Geräusche in seine Richtung und weigerte sich, zurückzukommen.
Er war hilflos. Jede Maßnahme, die er gegen die Quilon ergriff, würde mit Sicherheit das Ei untertauchen, also genau das gefährden, was er schützen wollte. Er konnte es nicht selbst zurücktragen. Er mußte darauf warten, daß sie es tat. Er begriff, daß sie nichts Böses tun wollte, aber sie schien die Gefahr nicht zu erfassen.
Sie stieg vorsichtig von dem Felsen hinunter. Das Wasser ging ihr bis zu ihrem abnehmbaren Hüftgefie- der. Während sie mit dem einen Vorderglied das Ei gegen ihre fleischige Brust drückte, balancierte sie mit dem anderen. Sie bewegte sich von der Hauptinsel weg und folgte einem Weg, den die Bewegungen des fliegenden Fliegenpilzes wiesen.
Orn begann zu schwimmen. Er war zu leicht, um bei dieser Tiefe festen Grund zu finden. Die Quilon, jetzt mehr als bis zur Hälfte überspült, setzte den Weg zum Festland fest. Sie versuchte nicht einmal, die Insel zu erreichen! Er hatte keine Ahnung, wie er diese bizarre Expedition unterbinden konnte. Hätte er gewußt, daß sich die Säugerin zu so einer Aktion versteigen würde, hätte er ihr das Ei niemals anvertraut. Alles, was er jetzt tun konnte, war, neben ihr herzuschwimmen und darauf zu hoffen, daß sie umkehrte, bevor das Ei verloren war. Er würde sie töten müssen, wenn sie es durch ihre Dummheit opferte, obgleich er das nicht wollte.
Das Meer unter ihm war klar. Kleine Fische kreisten verführerisch herum, und er war hungrig. Aber er konnte sich jetzt nicht um sie kümmern. Er konnte nicht bis auf den Boden sehen, denn dazu war es zu tief, obgleich es dort, wo die Quilon ging, ungewöhnlich seicht war. Seine Erinnerungen sagten ihm, daß Erdspalten unter dem Meer manchmal so beschaffen waren: eine Seite hoch, die andere niedrig. Oder zwei Kämme, die durch einen Abgrund getrennt wurden. Aber wieso hatte sie es gewußt?
Das Wasser reichte ihr jetzt fast bis zum Kopf. Das Ei lag unsicher auf ihrer Schulter gebettet, eingewickelt in die blonde Mähne, die von ihrer Kopfhaut hinunterhing. Beide Vorderglieder waren erhoben, um es abzuschirmen. Dies war kein guter Schutz. Das Ei würde bald kühl werden, selbst wenn das Wasser, das bereits ihr künstliches Fell bis zu dem zweigeteilten Euter durchnäßte, nicht noch weiter stieg. Er schwamm näher heran, obwohl er nichts tun konnte.
Die Quilon stoppte. »Zu tief. Ich finde keinen Grund mehr. Wenn ich die Arme senke, wird sich das Ei aus dem Gleichgewicht bringen.«
Manchmal schienen diese Geräusche einen Absichtswechsel zu signalisieren. Würde sie jetzt umkehren?
Sie arbeitete sich rückwärts, bis ihre Mähne ganz vom Wasser befreit war. Sie hielt das Ei vor sich und wärmte es, obwohl ihr Rumpf naß war. Dann kam der Fliegenpilz näher, stieß sich von der Oberfläche ab und kurvte in eine leicht geänderte Richtung davon. Sie folgte ihm.
Wieder ging sie so tief hinein, wie sie konnte. Und wieder gab sie ihre enttäuschten Geräusche von sich und zog sich zurück. Der Fliegenpilz kreiste und schien unfähig zu sein,
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