Manta 02 - Orn
penibel waren.
»Keinesfalls, obwohl es ein interessanter Gedanke ist. Keine geringere Kreatur besitzt die physische Fähigkeit, einen königlichen Zilch zu fangen, geschweige denn zu assimilieren. Es ist erforderlich, ihn in seinem Versteck aufzuspüren und seine Fluchtbewegungen genau nachzumachen, sonst ist alles verloren. Ein Fehler, und der Zilch frißt dich.«
Oh!
»Darum sind Ihre Windungen also so wichtig. Ihre Jagd bringt Gefahren mit sich.«
»Ja. Ich kann, neben anderen Leistungen, mit einer Genauigkeit von zwei Millimetern, plus oder minus fünfzehn Prozent, navigieren, während ich mit dreiundsiebzig Tentakeln den Zilch umklammere.« Graue Fangarme wedelten stolz. »Und ich bin selten von einem getroffen worden.«
Für Aquilon fing das an, sich wie Angeberei anzuhören. Aber sie war dem König viel zu nah, um direkten Widerspruch riskieren zu können. Vielleicht entwickelte er doch noch Appetit auf zweibeinige Wirbeltiere a la blonde. »Ich bin erstaunt, daß Sie das alles so gut koordinieren können.«
»Dein Erstaunen ist vollkommen berechtigt, meine Liebe. Du mit deinen fünf oder sechs Anhängseln kannst das Ausmaß des Unterfangens kaum ermessen. Jedes Glied muß speziell kontrolliert werden. Das Nervensystem, das man dazu. Du weißt, was ein Gehirn ist?«
»Ich glaube schon.«
»Hm. Nun, ich habe ein sehr großes Gehirn. Tatsächlich spiegeln die Windungen meiner Septä lediglich die Oberflächenstruktur meiner Gehirnlappen wider, die natürlich besonders geschützt tief in meinem Gehäuse untergebracht sind. Es ist mein hochentwickeltes Gehirn, das mich von allen anderen Spezies abhebt. Nichts Vergleichbares existiert irgendwo, hat niemals existiert und wird auch niemals existieren. Deshalb bin ich der König.« Aquilon suchte nach irgendeinem passenden Kommentar.
Plötzlich färbte sich Ammon orange und stieg majestätisch im Wasser auf. Wegen seiner Größe hatte sie vermutet, daß er bodengebunden war, aber er bewegte sich genau mit jener Körperkontrolle, die er für sich in Anspruch genommen hatte, geschmeidig und kraftvoll.
»Da ist einer!«
Sie blickte sich gespannt um. »Ein. was?«
»Ein königlicher Zilch. Meine Mahlzeit!«
Und der König schoß davon.
Jetzt sah sie seine Beute, eine flache, graue Gestalt.
»Nein«, schrie sie in plötzlichem Entsetzen. »Das ist Circe!«
Aber die Jagd war bereits im Gange. Der riesige Cephalopode verfolgte den fliehenden Manta. Sie wußte, wie hilflos die Mantas im Wasser waren, und konnte sich nur einen Ausgang dieser Hetzjagd vorstellen.
»Nein«, schrie sie abermals voller Verzweiflung, aber aus ihrem Mund stiegen nur Blasen empor, die ihren schweigenden Protest mit sich trugen.
Sie erwachte mit dem Mund voller Seewasser. Ihr Körper war durchweicht und zitterte, und sie fühlte sich noch immer krank. Sie kletterte hinaus in die frostige Brise.
Es war vier Uhr morgens, ungefähr jedenfalls, und ihre Wache begann.
Veg hatte die Schlafperiode von vier bis acht, und sie beneidete ihn nicht um seinen Aufenthalt in der durchnäßten Kabine. Die Mantas blieben klugerweise auf dem Dach. Die fortwährenden Sprühregen machten ihnen anscheinend nichts aus. Eine matte Phosphoreszenz ließ die Umrisse der rollenden Wellen hervortreten, und der Wind wehte unentwegt. Jetzt, da sie voll erwacht war und aufrecht stand, empfand sie die frostige nächtliche Brise als erfrischend.
Es gab nicht viel zu tun. Veg hatte das Ruder festgezurrt und die Segelfläche auf ein Viertel begrenzt. Die Nacre lag ruhig. Sie mußten lediglich wachsam bleiben und sofort handeln, wenn etwas Unvorhergesehenes passierte. Sie erwartete jedoch nicht, mehr als die üblichen Wellen zu sehen. »Cal«, meldete sie sich.
»Ja, 'Quilon«, sagte er sofort.
Er klang nicht müde, obwohl er kaum eine bessere Ruhepause gehabt haben konnte als sie, während er in der Kabine gewesen war. Dies war eine rauhe Nachtwache für ihn. Die Tatsache, daß er das alles überhaupt aushaken konnte, sprach für einen beträchtlichen Kräftezuwachs seit Nacre. Dies war beruhigend.
»Die Ammoniten, könnten sie intelligent gewesen sein?«
Als sie dies sagte, fürchtete sie, daß er lachen würde. Aber er schwieg für eine Weile und dachte darüber nach. Sie wartete und spürte dabei die feuchte Luft in ihrem Haar und die Vibrationen der Bohlen unter ihren Füßen. Nein, Cal war keiner, der über törichte Fragen lachte. Er sah immer den größeren Rahmen, den Hintergrund einer
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