Manta 03 - Ox
meines scheinbaren Todes hatte dich aufgeladen, erst mit Trauer, dann mit gewaltiger Leidenschaft. Wir waren nackt und voller Liebe, und es erschien ganz natürlich, daß wir uns dem natürlichen Höhepunkt hingaben. All die unterdrückten Gefühle, die ich dir entgegenbrachte, wurden mit dem Brechen die- ses Damms freigesetzt. Es schien so, als würde ich von deinem Körper niemals genug bekommen. Und du warst genauso wild auf mich; du warst ein Geschöpf der Lust. Es war so, als ob wir zwei Tiere gewesen wären, die sich, getrieben von einem unersättlichen erotischen Imperativ, endlos paarten. Wir blieben den ganzen Tag in dieser Höhle. Einmal gab es ein furchtbares Beben. Es riß Tyrann halb aus dem Schlaf hoch und löste die Stalagtiten von der Decke der Höhle. Wir hatten Angst, daß der Berg über uns zusammenbrechen würde - deshalb liebten wir uns erneut und schliefen und erwachten und taten es abermals.
Nachts wachte ich auf, angewidert von mir selbst, weil ich dich auf diese Weise benutzt hatte. Aber noch während ich dich in deinem göttlichen Schlaf betrachtete, wuchs die Leidenschaft wieder in mir auf, und ich wußte, daß ich mich von deinem Anblick lösen mußte, um nicht erneut schwach zu werden. Also zog ich mich in den rückwärtigen Teil der Höhle zurück.
Ich erinnerte mich an den Schlüssel und suchte ihn in der Dunkelheit. Meine Hand fand ihn auf der Felsbank. Ich nahm ihn hoch und schüttelte ihn. Und plötzlich war ich von Licht umgeben und hatte dieses Schwindelgefühl und da war die Maschine wieder unmittelbar vor mir.
Beunruhigt kehrte ich zu der Stelle zurück, wo du schliefst, aber du warst verschwunden. Du konntest nicht durch den Höhleneingang nach draußen gegangen sein, denn da war Tyrann, und es gab keine frischen Pulverschneespuren in seiner Nähe. Ich war mir sicher, daß du nicht den Rückausgang genommen hattest, denn da war ich ja gewesen. Und doch gab es keinerlei Anzeichen von deiner Gegenwart. Selbst das Moos auf der Felsbank, auf der wir uns geliebt hatten, war nicht durcheinandergebracht, ganz so, als ob niemals jemand
darauf gelegen hätte.
Verzeih mir: Meine erste Empfindung war großes Bedauern, daß ich dich vor deinem Verschwinden nicht noch einmal für einen weiteren Liebesakt aufgeweckt hatte. Dann verfluchte ich meine schmutzige Natur, denn ich würde dich auch als Eunuch genauso stark lieben. Ich legte mich nieder und versuchte, es auseinanderzupflücken, und schlief schließlich wieder ein. Am Morgen wußte ich, daß es ein Traum gewesen war - die Erfüllung eines extravaganten, weit hergeholten, lächerlichen, wundervollen männlichen Wunschtraums. Und so verdrängte ich es aus meinem Bewußtsein, beschämt von den fleischlichen Unterströmungen meiner Liebe zu dir, und seitdem habe ich mir die richtige Perspektive bewahrt.«
Betäubt saß Aquilon über ihre Diagramme gebeugt da. Die Episode, die von Cal so lebhaft beschrieben worden war, hatte sich niemals ereignet, und es war schockierend, ihn so anschaulich, so uncharakteristisch reden zu hören. Und doch spiegelte sie die geheime Leidenschaft wider, die auszudrücken sie sich sehnte, wenn es nur irgendeinen Weg gegeben hätte, ihre und seine Hemmschwelle zu umgehen. Und sie sprach etwas Furchtbares an, das sie selbst bis zu diesem Augenblick zugeschüttet hatte.
»Cal...« Sie zögerte und mußte sich zwingen, fortzufahren, damit er nicht dachte, daß es Abscheu vor der sexuellen Beschreibung war, der sie zurückhielt. Und doch konnte sie nicht sagen, was sie eigentlich beabsichtigte, und so kam etwas beinahe Irrelevantes statt dessen heraus. »Cal, der Schlüssel. Was ist aus ihm geworden?«
»Was wird aus jedem Traumgegenstand, wenn der Schläfer erwacht?« fragte er zurück, ganz so, als ob er über den Wechsel des Gesprächsthemas froh war.
»Nein - hast du ihn behalten oder dagelassen? Hast du noch einmal nach dieser Maschine gesehen? Sie müßte doch.«
»Ich muß den Schlüssel automatisch zurückgelegt haben«, sagte er. »Ich bin niemals wieder in den rückwärtigen Teil der Höhle gegangen war. Er war Teil meines Abscheus, und ich weigerte mich, den Leidenschaften des Traums entgegenzukommen, indem ich den Dingen nachging.«
»Oh!« Es war ein matter Ausdruck emotionellen Schmerzes. Er war den Dingen nicht einmal nachgegangen! Aber dieser Stich schwächte ihre Hemmungen irgendwie ab, und sie war jetzt imstande, ihr eigenes zugeschüttetes Problem anzugehen. »Cal, du sagtest, ich
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