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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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sie. »Egal, wer es mir
missgönnt, es wird geschehen. Ich will ihn haben.«
    Auf ihrem Weg hinaus sprechen
er und Dr Cranmer nicht miteinander, bis sie das blasse Mädchen auf sich
zukommen sehen, das kränkliche, kriechende Milchgesicht. Sie trägt einen Stapel
Leintücher.
    »Ich glaube, das ist die, die
weint«, sagt er. »Als o sehen Sie sie nicht von der Seite an.«
    »Master Cromwell«, sagt sie,
»es könnte ein langer Winter werden. Schicken Sie uns doch noch ein paar von
Ihren Orangentörtchen.«
    »Ich habe Sie so lange nicht
gesehen ... Was haben Sie gemacht, wo sind Sie gewesen?«
    »Meistens habe ich genäht.«
Sie bedenkt jede Frage einzeln. »Wohin man mich geschickt hat.«
    »Sie haben spioniert, vermute
ich.«
    Sie nickt. »Ich kann das nicht
besonders gut.«
    »Ich weiß nicht. Sie sind sehr
klein und unauffällig.«
    Es ist als Kompliment gedacht;
sie nimmt es mit einem Augenzwinkern an. »Ich spreche kein Französisch. Bitte,
tun Sie es auch nicht. Sonst habe ich nichts zu berichten.«
    »Für wen spionieren Sie?«
    »Für meine Brüder.«
    »Kennen Sie Dr Cranmer?«
    »Nein«, sagt sie; sie denkt,
es sei eine echte Frage.
    »Jetzt«, instruiert er sie,
»müssen Sie sagen, wer Sie sind.«
    »Oh. Ich verstehe. Ich bin
John Seymours Tochter. Von Wolf Hall.«
    Er ist überrascht. »Ich
dachte, seine Töchter wären bei Königin Katherine.«
    »Ja. Manchmal. Jetzt nicht.
Ich habe es doch gesagt. Ich gehe dorthin, wohin man mich schickt.«
    »Aber nicht dorthin, wo Sie
geschätzt werden.«
    »In gewisser Hinsicht werde
ich das. Sehen Sie, Lady Anne weist die Damen der Königin nicht zurück, wenn
sie Zeit mit ihr verbringen wollen.« Sie hebt die Augen, ein kurzes helles
Aufleuchten. »Es sind nur sehr wenige.«
    Jede aufsteigende Familie
braucht Informationen. Da der König sich für einen Junggesellen hält, kann
jedes kleine Mädchen den Schlüssel zur Zukunft in der Hand halten, und er hat
nicht sein ganzes Geld auf Anne gesetzt. »Nun, viel Glück«, sagt er. »Ich werde
versuchen, beim Englischen zu bleiben.«
    »Ich wäre Ihnen sehr dankbar.«
Sie verbeugt sich. »Dr Cranmer.«
    Er dreht sich um und
betrachtet sie, als sie sich mit Trippelschritten zu Anne Boleyn aufmacht. Ein
kleiner Verdacht hinsichtlich der Zeichnung im Bett beschleicht ihn. Aber
nein, denkt er. Das ist nicht möglich.
    Dr Cranmer lächelt. »Sie
kennen offenbar viele Hofdamen.«
    »Nicht sehr viele. Ich weiß
immer noch nicht, welche Tochter das war, es gibt mindestens drei. Und ich
vermute, dass Seymours Söhne ehrgeizig sind.«
    »Ich kenne sie kaum.«
    »Der Kardinal hat Edward
erzogen. Er ist klug. Und Tom Seymour ist nicht so ein Dummkopf, wie er
vorgibt.«
    »Der Vater?«
    »Lebt in Wiltshire. Wir sehen
ihn nie.«
    »Man könnte ihn beneiden«,
murmelt Dr Cranmer.
    Das Landleben. Ländliches
Glück. Eine Versuchung, die er nie verspürt hat. »Wie lange waren Sie in
Cambridge, bevor der König Sie hierherbeordert hat?«
    Cranmer lächelt.
»Sechsundzwanzig Jahre.«
    Sie sind beide in
Reitkleidung. »Kehren Sie heute noch nach Cambridge zurück?«
    »Nicht für lange. Die Familie«
- die Boleyns, meint er - »möchte, dass ich verfügbar bleibe. Und Sie, Master
Cromwell?«
    »Ich muss zu einem Privatkunden.
Lady Annes schwarze Blicke reichen nicht für meinen Lebensunterhalt.«
    Jungen warten mit ihren
Pferden. Aus diversen Verstecken in seiner Kleidung zieht Dr Cranmer in Stoff
gehüllte Dinge hervor. Eines davon ist eine Karotte, sorgfältig der Länge nach
geschnitten, und ein anderes ein verschrumpelter Apfel, geviertelt. Als  wäre
er ein Kind, das eine Belohnung ehrlich teilt, gibt er ihm zwei Stücke von der
Karotte und den halben Apfel für sein Pferd und sagt: »Sie verdanken Anne Boleyn
viel. Mehr, als Sie vielleicht glauben. Sie hat inzwischen eine gute Meinung
von Ihnen. Ich weiß allerdings nicht, ob sie gerne Ihre Schwägerin wäre ...«
    Die Tiere beugen die Köpfe und
knabbern ihr Futter, dabei wackeln sie dankbar mit den Ohren. Ein Augenblick
des Friedens, wie eine Segnung. Er sagt: »Es gibt wohl gar keine Geheimnisse,
oder?«
    »Nein. Nein. Absolut keine.«
Der Priester schüttelt den Kopf. »Sie haben gefragt, warum ich nicht an Ihr
College kommen wollte.«
    »Ich habe Konversation
gemacht.«
    »Und doch ... wie wir in
Cambridge hören, haben Sie so viel Arbeit für die Stiftung geleistet ... die
Studenten und die Fellows loben sie alle ... Master Cromwell entgeht kein Detail.
Aber andererseits,

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