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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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sie im Dolphin unter, das von Verwandten von ihm
betrieben wird, ja - er gesteht es, nicht ohne den Blick zu senken - von
Angehörigen, ja, es ist wahr, dass einige seiner Leute das Dolphin betreiben.
    »Deswegen muss man sich doch
nicht schämen. Das Dolphin ist ein gutes Haus.«
    Ach, Sie wissen Bescheid: Und
er beißt sich auf die Lippe.
    Er dagegen betrachtet Dr Cranmer:
die Art, wie er blinzelt, wie er vorsichtig den Finger ans Kinn legt, seine
sprechenden Augen und seine blassen betenden Hände. Als o, sagt Dr Cranmer,
Joan war kein ... sie war kein, sehen Sie, kein Schankmädchen, was immer die
Leute auch sagen, und ich weiß, was sie sagen. Sie war eine Ehefrau mit einem
Kind im Bauch, und er war ein armer Gelehrter, der sich anschickte, mit ihr in
ehrlicher Armut zu leben, aber das trat am Ende nicht ein. Er glaubte, er würde
vielleicht eine Stelle als Sekretär eines Gentleman oder als Hauslehrer finden
oder dass er seinen Lebensunterhalt mit Schreiben verdienen könnte, aber all
diese Überlegungen waren vergeblich. Er glaubte, sie könnten aus Cambridge
wegziehen, sogar aus England, aber am Ende war es nicht notwendig. Vor der
Geburt des Kindes hatte er gehofft, einer seiner Verwandten würde etwas für ihn
tun - aber als Joan bei der Geburt starb, konnte niemand etwas für ihn tun,
nicht mehr. »Wenn das Kind überlebt hätte, hätte ich etwas retten können. Aber
wie die Dinge lagen, wusste keiner, was er zu mir sagen sollte. Sie wussten
nicht, ob sie mir ihr Beileid zu dem Verlust meiner Frau aussprechen oder mir
gratulieren sollten, weil Jesus College mich zurückgenommen hatte. Ich ließ
mich zum Priester weihen. Warum auch nicht? Meine Ehe, das Kind - all das
schienen meine Kollegen für eine Art Irrtum zu halten. Als  hätte man sich im
Wald verlaufen. Man kommt nach Hause und denkt nie wieder daran.«
    »Es gibt merkwürdige, kalte
Menschen auf der Welt. Ich glaube, es sind Priester. Mit Verlaub. Sie gewöhnen
sich natürliche Gefühle ab. Mit den besten Absichten, versteht sich.«
    »Es war kein Fehler. Wir
hatten ein Jahr. Ich denke jeden Tag an sie.«
    Die Tür öffnet sich; Aice
bringt ihnen Lichter. »Ist das Ihre Tochter?«
    Anstatt seine
Familienverhältnisse zu erklären, sagt er: »Das ist meine liebe Aice. Das ist
doch nicht deine Aufgabe, Aice.«
    Sie knickst, ein kleiner
Kniefall vor dem Geistlichen. »Nein, aber Rafe und die anderen wollen wissen,
worüber hier so lange gesprochen wird. Und ob heute Abend eine Sendung an den
Kardinal geschickt wird. Jo steht mit Nadel und Faden bereit.«
    »Sag ihnen, dass ich die
Briefe eigenhändig schreibe und dass wir sie morgen abschicken. Jo kann ins
Bett gehen.«
    »Oh, wir gehen nicht ins Bett.
Wir lassen Gregorys Windhunde die Halle rauf und runter laufen und machen dabei
einen Lärm, der die Toten aufwecken könnte.«
    »Ich kann nachvollziehen,
warum ihr nicht damit aufhören wollt.«
    »Ja, es ist großartig«, sagt
Aice. »Wir haben Manieren wie Küchenmägde und keiner wird uns je heiraten
wollen. Wenn unsere Tante Mercy sich so benommen hätte, als sie klein war,
hätte sie Ohrfeigen bekommen, bis ihre Ohren blutig gewesen wären.«
    »Dann leben wir ja in
glücklichen Zeiten.«
    Als sie die Tür wieder hinter
sich geschlossen hat, sagt Cranmer: »Werden die Kinder nicht mit der Peitsche
geschlagen?«
    »Wir versuchen, sie durch
unser Vorbild zu erziehen, wie es Erasmus vorschlägt, wobei wir jedoch alle
gern die Hunde hin und her rennen lassen und Lärm machen - in dieser Hinsicht
sind wir dann wohl kein so gutes Vorbild.« Er weiß nicht, ob er lächeln soll;
er hat Gregory, er hat Aice und Johane und die kleine Jo, und im Augenwinkel am
Rande seines Gesichtsfelds hat er das blasse Mädchen, das die Boleyns bespitzelt.
Er hat Falken in seiner Remise, die auf ihn zukommen, wenn sie den Klang seiner
Stimme hören. Was hat dieser Mann?
    »Ich denke an die Berater des
Königs«, sagt Dr Cranmer. »Die Art von Männern, mit denen er sich jetzt
umgibt.«
    Und er hat den Kardinal, wenn
der Kardinal ihm nach allem, was geschehen ist, noch wohlgesonnen ist. Wenn er
stirbt, hat er die schwarzen Hunde seines Sohnes, die zu seinen Füßen liegen.
    »Es sind fähige Männer«, sagt
Cranmer, »die alles tun, was er will, aber es scheint mir - ich weiß nicht, wie
es Ihnen geht -, dass ihnen jedes Verständnis für seine Situation fehlt ...
auch jeder Skrupel, jede Freundlichkeit. Jede Barmherzigkeit. Oder Liebe.«
    »Deshalb glaube ich, dass

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