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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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Southwell und begibt sich etappenweise nach York. Der nächste Teil
seiner Reise wird zu einer triumphalen Prozession. Leute aus der gesamten
Umgebung kommen in Scharen herbei, lauern ihm bei Kreuzen am Wegesrand auf,
damit er seine magischen Hände auf ihre Kinder legen kann; sie nennen es
»Konfirmation«, aber es scheint ein älteres Sakrament zu sein. Sie strömen zu
Tausenden herbei, um ihn zu sehen; und er betet für sie alle.
    »Der Rat hält den Kardinal
unter Beobachtung«, zischt Gardiner ihm im Vorbeigehen zu. »Sie haben die Häfen
schließen lassen.«
    Norfolk sagt: »Richten Sie ihm
aus, wenn ich ihn je wiedersehe, fresse ich ihn mit Haut und Haaren auf und
dazu noch Knochen, Fleisch und Knorpel.« Genauso schreibt er es auf und schickt
es nach Norden: »Knochen, Fleisch und Knorpel«. Er kann das Knirschen und
Knacken der herzoglichen Zähne hören.
    Am 2. Oktober erreicht der
Kardinal seinen Palast in Cawood, zehn Meilen von York entfernt. Seine Inthronisierung
ist für den 7. November geplant. Die Nachricht trifft ein, dass er
eine Versammlung der Nordkirche einberufen hat; sie soll am Tag nach seiner
Inthronisierung in York zusammentreten. Es ist ein Signal seiner Unabhängigkeit
- einige denken vielleicht, es ist ein Signal der Revolte. Er hat den König
nicht informiert, er hat den alten Warham, Erzbischof von Canterbury, nicht
informiert; er kann die Stimme des Kardinals hören, wie sie leise und belustigt
sagt, aber Thomas, warum müssen sie das wissen?
    Norfolk bestellt ihn zu sich.
Sein Gesicht ist purpurrot und er hat ein bisschen Schaum vor dem Mund, als er
zu schreien anfängt. Er war gerade zu einer Anprobe bei seinem Waffenmeister
und trägt noch verschiedene Teile der Rüstung — seinen Brustharnisch, seinen
Lendenschurz -, sodass er aussieht wie ein eiserner Kochtopf, der kurz vorm Überlaufen
steht. »Glaubt er etwa, dass er sich da oben verschanzen und sich selbst ein
Königreich zimmern kann? Der Kardinalshut ist nicht gut genug für ihn, nur eine
Krone genügt dem verfluchten Thomas Wolsey, dem elenden Metzgerjungen, und ich
sage Ihnen, ich sage Ihnen ...«
    Er senkt den Blick, falls der
Herzog eine Pause macht, um seine Gedanken zu lesen. Er denkt: Mylord hätte
einen so hervorragenden König abgegeben; so gütig, so sicher und verbindlich
in seinen Geschäften, so gerecht, so schnell und so urteilsfähig. Seine
Herrschaft wäre die beste Herrschaft gewesen, seine Diener die besten Diener,
und wie viel Freude er an seinem Staat gehabt hätte!
    Seine Augen folgen dem Herzog,
der hin und her wippt und schäumt; aber als sich der Herzog umdreht und sich
auf den metallbewehrten Oberschenkel schlägt, stellt er überrascht fest, dass
eine Träne - hat der Schlag wehgetan oder ist es etwas anderes? — im herzoglichen
Auge schwimmt. »Ach, Sie halten mich für einen harten Mann, Cromwell. So hart
bin ich nicht, dass ich nicht sehe, wie verlassen Sie dastehen. Verstehen Sie,
was ich sage? Ich meine, ich kenne nicht einen Mann in England, der für einen
in Schmach und Schande gefallenen Mann dasselbe getan hätte wie Sie. Der König
sagt das auch. Selbst dieser Chapuys, der Mann des Kaisers, sagt, man kann
keinen Fehler bei Wie-heißt-er-noch entdecken. Ich sage, es ist sehr schade,
dass Sie Wolsey je begegnet sind. Es ist schade, dass Sie nicht für mich
arbeiten.«
    »Nun«, sagt er, »wir wollen
alle dasselbe. Nämlich, dass Ihre Nichte Königin wird. Können wir nicht
zusammenarbeiten?«
    Norfolk grunzt. In seinen
Augen ist etwas falsch an dem Wort »zusammen«, aber er kann nicht in Worte
fassen, was es ist. »Vergessen Sie Ihre Stellung nicht.«
    Er verbeugt sich. »Ich bin mir
der fortgesetzten Gunst bewusst, die Eure Lordschaft mir gewährt.«
    »Passen Sie auf, Cromwell, ich
wünschte, Sie würden mich zu Hause in Kenninghall besuchen und mit Mylady,
meiner Frau, sprechen. Sie stellt ganz unerhörte Ansprüche. Sie findet, ich
sollte keine Frau zu meinem persönlichen Gebrauch im Haus halten, wenn Sie
verstehen? Ich sage, wo denn sonst? Soll ich mich etwa in einer Winternacht der
Unbequemlichkeit unterziehen und mich auf die vereisten Straßen wagen? Es ist
mir anscheinend nicht möglich, mich ihr gegenüber korrekt auszudrücken;
glauben Sie, Sie könnten kommen und meinen Fall vertreten?« Hastig sagt er:
»Natürlich nicht jetzt. Nein. Wichtiger ist... gehen Sie zu meiner Nichte ...«
    »Wie geht es ihr?«
    »Meiner Ansicht nach«, sagt
Norfolk, »ist Anne auf Mord aus. Sie

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