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Mantel, Hilary

Mantel, Hilary

Titel: Mantel, Hilary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woelffe
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die Annehmlichkeiten, auf die Sie alle so stolz sind ...«
Sein Ton, ruhig und unaufgeregt, ändert sich nicht. »Der Fischkeller? Wo die
Studenten gestorben sind?«
    »Mylord Kardinal hat diese
Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter genommen.«
    Cranmer sagt leichthin: »Ich
auch nicht.«
    »Mylord hat nie dazu geneigt,
einen anderen wegen seiner Überzeugung zugrunde zu richten. Sie wären in
Sicherheit gewesen.«
    »Ich versichere Ihnen, er
hätte keinerlei Häresie bei mir entdeckt. Selbst die Sorbonne konnte keinen
Fehler an mir finden. Ich habe nichts zu befürchten.« Ein mattes Lächeln. »Aber
vielleicht... ach ja ... vielleicht gehöre ich einfach nach Cambridge.«
     
    Er sagt zu Wriothesley: »Ist
er das? In allen Punkten orthodox?«
    »Schwer zu sagen. Er mag keine
Mönche. Sie müssten sich gut verstehen.«
    »War er im Jesus College
beliebt?«
    »Es heißt, er war ein strenger
Prüfer.«
    »Ich vermute, dass ihm nicht
viel entgeht. Trotzdem. Er denkt, dass Anne eine tugendhafte Dame ist.« Er
seufzt. »Und was denken wir?« Nennt-mich-Risley schnaubt. Er hat gerade
geheiratet - eine Verwandte Gardiners -, obwohl seine Einstellung zu Frauen im
Großen und Ganzen nicht gerade positiv ist.
    »Er scheint der melancholische
Typ zu sein«, sagt er. »Jemand, der abgeschieden von der Welt leben möchte.«
    Wriothesley zieht die blonden
Augenbrauen fast unmerklich in die Höhe. »Hat er Ihnen von dem Schankmädchen
erzählt?«
     
    Als  Cranmer ihn zu Hause
besucht, gibt es zartes Rehfleisch; sie essen zu zweit, und langsam entlockt er
ihm seine Geschichte, langsam und mühelos. Er fragt den Doktor, wo er herkommt,
und als dieser sagt: Sie werden den Ort nicht kennen, antwortet er: Stellen Sie
mich auf die Probe, ich war fast überall.
    »Auch wenn Sie in Aslockton
gewesen wären, wüssten Sie nicht, dass Sie da waren. Geht ein Mann fünfzehn
Meilen nach Nottingham und bleibt nur eine Nacht weg, verschwindet der Ort
völlig aus seiner Erinnerung.« Sein Dorf hat nicht einmal eine Kirche, es gibt
nur ein paar armselige Hütten und das Haus seines Vaters, in dem die Familie
seit drei Generationen lebt.
    »Ihr Vater ist ein Gentleman?«
    »Das ist er in der Tat.«
Cranmer klingt leicht schockiert: Was denn sonst? »Die Tamworths aus
Lincolnshire gehören zu meinen Verwandten. Die Clintons aus Clifton. Die Familie
Molyneux, von der Sie gehört haben werden. Oder nicht?«
    »Und haben Sie viel Land?«
    »Ich habe nicht daran gedacht,
sonst hätte ich die Hauptbücher mitgebracht.«
    »Vergeben Sie mir. Wir
Geschäftsleute ...«
    Augen ruhen auf ihm, taxieren
ihn. Cranmer nickt. »Wenige Morgen. Und ich bin nicht der älteste Sohn. Aber
er hat mich gut erzogen. Hat mir das Reiten beigebracht. Von ihm habe ich
meinen ersten Bogen bekommen. Von ihm bekam ich meinen ersten Falken zum Abrichten.«
    Tot, denkt er, der Vater ist lange
tot: Er tastet im Dunkeln immer noch nach seiner Hand.
    »Als  ich zwölf war, hat er
mich in die Schule geschickt. Dort habe ich gelitten. Der Lehrer war streng.«
    »Mit Ihnen? Oder auch mit den
anderen?«
    »Wenn ich ehrlich bin, habe
ich nur an mich selbst gedacht. Ich war schwach, kein Zweifel. Ich vermute, er
hat die Schwäche erkannt. Schulmeister sind so.«
    »Konnten Sie sich nicht bei
Ihrem Vater beschweren?«
    »Ich frage mich wirklich,
warum ich es nicht getan habe. Aber dann ist mein Vater gestorben. Ich war
dreizehn. Ein Jahr später schickte meine Mutter mich nach Cambridge. Ich war
froh, dem Lehrer entkommen zu sein. Seiner Knute. Nicht dass die Flamme der
Gelehrsamkeit in Cambridge hell brannte. Der Ostwind hatte sie ausgeblasen.
Oxford - besonders Magdalen College, wo Ihr Kardinal war -, das war damals
alles.«
    Er denkt: Ein Junge, der in
Putney geboren wurde, hat jeden Tag den Fluss gesehen und sich vorgestellt, wie
er breiter wird und ins Meer mündet. Selbst wenn er den Ozean nie gesehen
hatte, kamen manchmal fremde Menschen flussaufwärts und erzählten davon,
sodass er ein Bild in seiner Vorstellung besaß. Er wusste, dass er eines Tages
hinausgehen würde in eine Welt mit Bürgersteigen aus Marmor, wo es Pfauen gibt
und Hügel, die in der Hitze flirren, wo ihn der Duft zerriebener Kräuter beim
Gehen einhüllt. Er hat schon vorausgesehen, was die Reisen ihm bringen würden:
die Berührung warmer Terrakotta, den Nachthimmel in einem anderen Klima, fremde
Blumen, den Blick der Heiligen anderer Menschen aus steinernen Augen. Aber wenn
man in Aslockton geboren

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