Mantel, Hilary
derzeitige Bella - an einem rosa
Seidenband. Er sieht auf: Kann ich den beiden Damen helfen?
Alice sagt: »Master, meine
Tante Elizabeth, Ihre Frau Gemahlin, ist mehr als zwei Jahre tot. Können Sie an
den Kardinal schreiben und ihn bitten, dass er den Papst bittet, sie aus dem
Fegefeuer zu entlassen?«
Er sagt: »Was ist mit eurer
Tante Kat? Und euren kleinen Kusinen, meinen Töchtern?«
Die Kinder wechseln einen
Blick. »Wir glauben, dass sie noch nicht so lange dort waren. Anne Cromwell war
stolz darauf, wie sie mit Zahlen umgehen konnte, und hat damit geprahlt, dass
sie Griechisch lernte. Grace hat sich etwas auf ihre Haare eingebildet und
immer wieder gesagt, dass sie Flügel hat, das war eine Lüge. Wir glauben, dass
sie vielleicht mehr leiden müssen. Aber der Kardinal könnte es versuchen.«
Wer nichts verlangt, der
kriegt auch nichts, denkt er.
Alice ermutigt ihn: »Sie haben
so viel für den Kardinal getan, dass er es nicht ablehnen würde. Und obwohl der
König den Kardinal nicht mehr mag, mag der Papst ihn doch bestimmt?«
»Und ich nehme an«, sagt Jo,
»dass der Kardinal jeden Tag an den Papst schreibt. Obwohl ich nicht weiß, wer
seine Briefe zunäht. Und ich vermute, dass der Kardinal ihm vielleicht ein
Geschenk für seine Mühe schickt. Etwas Geld, meine ich. Unsere Tante Mercy
sagt, dass der Papst nur gegen Bargeld tätig wird.«
»Kommt mit«, sagt er. Sie
tauschen Blicke aus. Er scheucht sie vor sich her. Bellas kleine Beine rennen.
Jo lässt ihre Leine fallen, aber trotzdem läuft Bella hinterher.
Mercy und die ältere Johane
sitzen zusammen. Sie schweigen, aber nicht gemeinsam. Mercy liest, murmelt die
Worte dabei vor sich hin.
Johane starrt die Wand an, das
Nähzeug im Schoß. Mercy markiert die Seite, bis zu der sie gekommen ist. »Was
ist das, eine Delegation?«
»Erzähl es ihr«, sagt er. »Jo,
erzähl deiner Mutter, was du mich gefragt hast.«
Jo fängt an zu weinen. Alice
übernimmt das Sprechen und legt ihren Fall dar. »Wir wollen, dass unsere Tante
Liz aus dem Fegefeuer kommt.«
»Was habt ihr ihnen nur
beigebracht?«, fragt er.
Johane zuckt mit den Achseln.
»Viele erwachsene Menschen glauben dasselbe wie die beiden.«
»Lieber Gott, was geht in
diesem Haus vor? Diese Kinder glauben, dass der Papst mit einem Schlüsselbund
in die Unterwelt hinabsteigen kann. Und andererseits leugnet Richard das
Sakrament...«
»Was?« Johane steht der Mund
offen. »Was tut er?«
»Richard hat recht«, sagt
Mercy. »Als der gute Herr sagte: Das ist mein Leib, meinte er, das ist das
Zeichen für meinen Leib. Er hat den Priestern keine Lizenz zum Zaubern
erteilt.«
»Aber er sagte: das ist. Er hat nicht gesagt: das ist wie mein Leib, er hat gesagt: das ist. Kann Gott lügen? Nein. Dazu
ist er nicht fähig.«
»Gott kann alles«, sagt Alice.
Johane starrt sie an. »Du
kleines Biest.«
»Wenn meine Mutter hier wäre,
würde sie dir dafür eine Ohrfeige geben.«
»Keine Prügeleien«, sagt er.
»Bitte?« Austin Friars ist wie die Welt im Kleinen. In den letzten paar Jahren
glich es eher einem Schlachtfeld als einem Haushalt, war eher wie ein Lager mit
Zelten, in dem die Überlebenden voller Verzweiflung auf ihre zerstörten
Gliedmaßen und enttäuschten Erwartungen blicken. Aber es ist seine Aufgabe,
sie zu führen, diese letzte hartgesottene Truppe; wenn sie beim nächsten
Angriff nicht überrollt werden sollen, ist es an ihm, sie die defensive Kunst
zu lehren, es von beiden Seiten zu betrachten: Glauben und Werke, Papst und
neue Brüder, Katherine und Anne. Er sieht Mercy an, die süffisant lächelt. Er
sieht Johane an, deren Wangen stark gerötet sind. Er wendet sich von Johane ab
und von seinen Gedanken, die nicht streng theologisch sind. Er sagt zu den
Kindern: »Ihr habt nichts falsch gemacht.« Aber sie haben einen gequälten Gesichtsausdruck,
sodass er versucht, ihnen gut zuzureden: »Ich schenke dir etwas, Jo, für das
Zunähen der Briefe an den Kardinal; und ich schenke dir etwas, Alice, ich bin
sicher, dass wir keinen besonderen Grund brauchen. Ich schenke euch ein paar
Äffchen.«
Die beiden sehen sich an. Jo
ist in Versuchung. »Wissen Sie, wo man sie bekommt?«
»Ich denke schon. Ich war im
Haus des Lordkanzlers, und seine Frau hat ein solches Tierchen, es sitzt auf
ihrem Knie und achtet auf alles, was sie sagt.«
Alice sagt: »Sie sind gerade
nicht in Mode.«
»Wenngleich wir Ihnen danken«,
sagt Mercy.
»Wenngleich wir Ihnen danken«,
wiederholt Alice. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher