Mantel, Hilary
das
sichergestellt. Als Prinz, der aus Wales kam, hat er das Wort gehalten, das er
seinen Vorfahren gegeben hatte. Aus seinem lebenslangen Exil ist er
zurückgekehrt und hat sein uraltes Recht in Anspruch genommen. Aber es ist
nicht genug, ein Land zu beanspruchen; es muss gehalten werden. Es muss
gehalten und gesichert werden, in jeder Generation. Wenn Ihr Bruder zu sagen
scheint, dass Sie seinen Platz eingenommen haben, dann in der Absicht, dass Sie
der König werden sollen, der er gewesen wäre. Er selbst kann die Prophezeiung
nicht erfüllen, aber er vermacht sie Ihnen. Für ihn das Versprechen und für Sie
dessen Erfüllung.«
Die Augen des Königs gleiten
zu Dr Cranmer, der steif sagt: »Ich kann nichts sehen, das dagegen spricht.
Trotzdem rate ich immer noch, nicht auf Träume zu hören.«
»Oh«, sagt er, »aber die
Träume von Königen sind nicht wie die Träume anderer Menschen.«
»Da mögen Sie recht haben.«
»Aber warum jetzt?«, sagt
Henry, nicht unvernünftig. »Warum kehrt er jetzt zurück? Ich bin seit zwanzig
Jahren König.«
Er schluckt die Versuchung
hinunter zu antworten: Weil Sie vierzig sind und er Ihnen sagt, dass Sie
erwachsen werden sollen. Wie viele Male haben Sie die Geschichten von Arthur
aufgeführt - wie viele Maskenfeste, wie viele Historienspiele, wie viele
Schauspielertruppen mit Papierschilden und Holzschwertern? »Weil jetzt die
entscheidende Zeit gekommen ist«, sagt er. »Weil jetzt die Zeit ist, der
Herrscher zu werden, der Sie sein sollen, das einzige und oberste Haupt Ihres
Königreichs. Fragen Sie Lady Anne. Sie wird es Ihnen sagen. Sie wird dasselbe
sagen.«
»Das tut sie«, gibt der König
zu. »Sie sagt, wir sollten uns Rom nicht länger beugen.«
»Und sollte Ihr Vater Ihnen in
einem Traum erscheinen, sollten Sie ihn genauso verstehen wie diesen Traum.
Dass er gekommen ist, um Ihre Hand zu stärken. Kein Vater wünscht, seinen Sohn
weniger mächtig zu sehen als sich selbst.«
Henry lächelt langsam. Den
Traum, die Nacht, die Nacht der verhüllten Schrecken, der Maden und Würmer
streift er ab und scheint sich zu strecken. Er steht auf. Sein Gesicht
leuchtet. Das Feuer macht Streifen aus Licht auf seiner Robe, und in ihren
tiefen Falten flackern Ocker und Rehbraun, Farben der Erde, des Lehms. »Sehr
gut«, sagt er. »Ich verstehe. Ich verstehe jetzt alles. Ich wusste doch, nach
wem ich schicken musste. Ich weiß das immer.« Er dreht sich um und spricht in
die Dunkelheit hinein. »Harry Norris? Wie spät ist es? Ist es vier Uhr? Mein
Kaplan soll sich zur Messe ankleiden.«
»Vielleicht könnte ich die
Messe für Sie lesen«, schlägt Dr Cranmer vor, aber Henry sagt: »Nein, Sie sind
müde. Ich habe Sie vom Schlafen abgehalten, meine Herren.«
So einfach ist das, so
gebieterisch. Sie werden vor die Tür gesetzt. Sie gehen an den Wachen vorbei.
Sie gehen stumm zurück zu ihren Leuten, der Mann Brereton folgt ihnen.
Schließlich sagt Dr Cranmer: »Gute Arbeit.«
Er dreht sich um. Jetzt will
er lachen, aber er wagt nicht zu lachen.
»Ein geschickter Zug: >Und
sollte Ihr Vater Ihnen erscheinen .. .< Ich nehme an, Sie möchten nicht
allzu oft mitten in der Nacht geweckt werden.«
»Mein Haushalt war
beunruhigt.«
Da sieht der Doktor bekümmert
aus, als wäre er leichtfertig gewesen. »Natürlich«, murmelt er. »Weil ich kein
verheirateter Mann bin, denke ich nicht an solche Dinge.«
»Ich bin auch kein
verheirateter Mann.«
»Nein. Das hatte ich
vergessen.«
»Sie haben Einwände gegen das,
was ich gesagt habe?«
»Es war in jeder Hinsicht
vollkommen. Als hätten Sie im Voraus darüber nachgedacht.«
»Wie hätte ich das können?«
»In der Tat. Sie sind ein Mann
von enormem Einfallsreichtum. Allerdings ... was das Evangelium betrifft,
wissen Sie ...«
»Auch im Hinblick auf das
Evangelium erachte ich es für gute nächtliche Arbeit.«
»Aber ich frage mich«, sagt
Cranmer fast zu sich selbst. »Ich frage mich, wofür Sie das Evangelium halten.
Glauben Sie, es ist ein Buch mit leeren Blättern, denen Thomas Cromwell seine
Wünsche aufprägt?«
Er bleibt stehen, er legt dem
anderen eine Hand auf den Arm und sagt: »Dr Cranmer, sehen Sie mich an. Glauben
Sie mir. Ich bin aufrichtig. Ich kann nichts dafür, wenn Gott mir die Miene
eines Sünders gegeben hat. Er muss etwas damit bezwecken.«
»Das steht zu vermuten.«
Cranmer lächelt. »Er hat Ihr Gesicht absichtlich so gestaltet, um unsere
Feinde zu irritieren. Und dann, wie Sie das Zeremoniell in die
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